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Kultur: In Beethovens Universum

SINFONIK

In der Kapellmeisterzunft regiert ein merkwürdiges Paradox: Sobald ein herausragender Dirigent endgültig den Taktstock niedergelegt hat, wird er unweigerlich als der „Letzte seines Schlages“ gewürdigt – obwohl quasi automatisch der nächstjüngere Maestro seine Stelle als Bewahrer dieser Tradition einnimmt. Nach dem Tode Günter Wands und dem Pultabschied Kurt Sanderlings hat nunmehr Herbert Blomstedt Anspruch auf den Titel des „Großen Alten“. Die Klassikwelt erwartet von dem 75-jährigen Werkweisheiten, die in jahrzehntelanger Interpretationsarbeit herangereift sind. Erst recht, wenn Beethovens Sinfonien auf dem Programm stehen. Die Kombination Beethoven, Blomstedt und Leipziger Gewandhausorchester sorgt dafür, dass die Philharmonie bis auf den letzten Platz gefüllt ist.

Eine altmeisterliche Selbstverständlichkeit prägt schon die „Pastorale“. Unbeeinflusst von den klangmalerischen Naturschilderungen, wie sie etwa Simon Rattle mit den Philharmonikern entdeckte, dirigiert Blomstedt dieses Werk, ebenso wie die darauf folgende Siebte, aus dem Geist formaler Schlüssigkeit und einer allgemein aufgefassten lockeren Lebensfreude heraus: Mit durchweg zügigen Tempi organisiert Blomstedt seinen Beethoven, sorgt dafür, dass jedes Detail wie von selbst an den vorhergesehenen Platz fällt, sichert die Klangbalance zwischen den vorzüglichen Streichern und den (etwas scheuen) Bläserpulten. Fragen stellt Blomstedt nicht, eher scheint er darauf zu warten, dass die handwerkliche Perfektion von selbst transzendiert. Doch die Erleuchtung bleibt aus – weil das Besondere zu selbstverständlich geworden ist. Denn auch das kann Tradition bedeuten.

Jörg Königsdorf

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