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Kultur: In den Sand gesetzt

Saudiarabien zensiert amerikanische Intellektuelle

Die These vom Schock der Kulturen hat nach dem 11. September wieder Aufwind bekommen: Extremistische Islamisten, aber auch die US-Regierung teilen die Welt in Gut und Böse ein, statt zu reden, lässt man Muskeln spielen und Waffen rasseln. Der Dialog, der sich zwischen amerikanischen und saudischen Intellektuellen entspannt hat, war in dieser Situation eine rühmliche Ausnahme – auch wenn er bisher nicht wirklich zu mehr Verständnis der anderen geführt hat, weil beide Seiten auf ihren Positionen verharren.

Am Mittwoch hat die saudische Regierung jedoch die Veröffentlichung der amerikanischen Antwort auf einen Brief von 153 saudischen Intellektuellen vom Mai untersagt: Die Auslieferung der saudischen Tageszeitung „Al Hayat“, die den Artikel in Arabisch veröffentlichte, wurde kurzerhand verboten. Dabei nutzte es dem angesehenen Blatt, das in London gemacht wird, auch nichts, dass sein Besitzer der stellvertretende Verteidigungsminister Prinz Khaled bin Sultan bin Abdul Aziz ist.

Nach Ansicht von Beobachtern war es den Behörden ein Dorn im Auge, dass nun Stimmen der saudischen Zivilgesellschaft international wahrgenommen würden. Auch habe man sich an den kritischen Fragen der amerikanischen Unterzeichner gestoßen, die eine direkte Verbindung zwischen dem in Saudi-Arabien verbreiteten, konservativen Islam-Verständnis und dem islamistischen Terrorismus suggerieren: „Glauben Sie, dass der islamische Glaube, wie er in Saudi-Arabien praktiziert wird, sich wesentlich vom militanten Dschihad unterscheidet?“ Die amerikanischen Autoren fordern die Saudis auf, ihre These zu überprüfen, dass die „anderen“ schuld seien an der Misere und Instabilität in der arabisch-islamischen Welt und nicht die „eigenen Führer".

Nun wurde die amerikanische Antwort zwar in Saudi-Arabien nicht veröffentlicht, wohl aber in der restlichen arabischen Welt. Hier hatten sich bereits an den ersten Brief der Amerikaner lebhafte Debatten in den Medien und im Fernsehsender „Al Dschasira“ angeschlossen, auch wenn die These der Amerikaner vom „gerechten Krieg“ zurückgewiesen wurde. Die Debatte, in die auch deutsche Intellektuelle eingegriffen haben, hat in den USA dagegen kaum ein Echo gefunden, wo sie nur im Internet veröffentlicht wurde, während die Briefe in europäischen Zeitungen ebenso wie jetzt in der arabischen Welt im Wortlaut abgedruckt wurden. Eine weitere Schwäche dieses Dialogs liegt darin, dass hier konservative Intellektuelle miteinander sprechen und andere Gruppen der Gesellschaften nicht zu Wort kommen: In den USA werden die Aufrufe vom „Institut für Amerikanische Werte“ gesponsert und organisiert, das Werte wie Familie und Religion fördert. Kritiker sehen die Aufrufe als eine unkritische Unterstützung der US-Politik. Auf saudischer Seite unterzeichneten fast ausschließlich wahabitische Konservative. Trotz dieser Geistesverwandtschaft gehen die Ansichten teilweise fundamental auseinander – wie die Titel der Briefe bezeugen: Schrieben die saudischen Akademiker im Mai unter der versöhnlichen Überschrift „Wie wir zusammen leben können“, so trug die amerikanische Antwort nun den skeptischen Titel „Können wir zusammenleben?“

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