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Man muss ihn einfach mögen, doch er hat sich verzehrt: Rolando Villazon.

© picture alliance/dpa/Rolf Vennenbernd

In der Berliner Philharmonie: Ein trauriger Arien-Abend mit Rolando Villazón

Es war einmal ein Tenor: Rolando Villazón will stimmliche Mängel mit Leidenschaft kompensieren. Man hört ihn kämpfen und leidet - bei halb vollem Haus.

Berlin ist eben nicht München. Oder London oder eine andere Hochpreis-Metropole. Wer hier Konzerttickets anbietet, die bei 69 Euro beginnen und bis 139 Euro reichen, bekommt den Saal eben nur halb voll. Das war Anfang November bei Juan Diego Flórez so, das wiederholte sich jetzt erwartungsgemäß beim Auftritt von Rolando Villazón in der Philharmonie. Schütter besetzte Ränge aber sind ein absolut zuverlässiger Stimmungskiller. Darum hier ein Tipp an die Veranstalter: Wer halb so hohe Preise aufruft und der Saal dafür bis auf den letzten Podiumsplatz ausverkauft, verdient genauso viel Geld. Die Künstler aber haben mehr davon, weil sie vor einer Kulisse auftreten, die ihnen Spaß macht.

Überhaupt ist dieser Abend eigentlich ein klassischer Ich-Will-Mein-Geld-Zurück-Fall: Denn die Leute sind unter der Vorspiegelung falscher Tatsachen angelockt worden. Duette von Verdi, Donizetti und Gounod waren versprochen, so wie Villazón sie auf seiner aktuellen CD mit dem russischen Bass Ildar Abdrazakov bietet. Am Donnerstag aber erklingt bis zum Schlussapplaus keines davon, lediglich bei Arrigo Boitos „Mefistofele“ vereinen die beiden Sänger ihre Stimmen, sowie – künstlerisch gesehen völlig widersinnig – bei zwei Stadion-Hits, nämlich „Granada“ und den „Schwarzen Augen“.

Noch jubeln die Fans, doch die Stimmung ist mäßig

Leider drängt sich im Laufe des Abends die Vermutung auf, die unangekündigten Änderungen könnten aus der Not heraus geboren sein. Weil Villazón nicht mehr in der Lage ist, den Part in den Duetten live darzubieten. Alle seine Solo-Nummern nämlich singt er völlig glanzlos. Nicht in der Tenorlage, sondern deutlich tiefer transponiert.

Trotzdem zeigen sich vokale Defizite. Er muss Phrasen anschleifen, viele Töne mit übermäßigem Druck singen. Unvorstellbar, dass Villazón sich darüber nicht selber im Klaren sein könnte. Doch er ist eben Bühnenmensch, will auftreten, dem Publikum nahe sein. Also versucht er, die Probleme durch extra viel Leidenschaft zu kompensieren und durch ein paar lang gehaltene Töne in der bequemen Mittellage. Aber man hört ihn kämpfen – und leidet.

Denn einen wie ihn muss man einfach mögen. Weil er der perfekte Opernstar ist, nahbar und kommunikationsfreudig, heiter und sinnenfroh, fürs Komische ebenso begabt wie fürs Dramatische. Einer, der an beiden Enden brennt. Und sich darum vor der Zeit verzehrt hat. Noch wird er von der Liebe seiner Fans getragen, die auch jetzt in der Philharmonie tapfer versuchen, sich und ihren Star in Stimmung zu jubeln. Mit mäßigem Erfolg.

Allein Ildar Abdrazakov beeindruckt mit prachtvollem Bass

Das Ersatzprogramm aber ist auch zu ungeschickt gestrickt. Bis die erste bekannte Nummer auftaucht, sind drei Viertel des Abends vergangen. Davor gibt es nur Abseitiges, kompositorische B-Ware, das Orchester aus dem tschechischen Ostrava spielt zudem mäßig inspiriert, Dirigent Guerassim Voronkov tendiert dazu, die Tempi zu verschleppen.

Allein Ildar Abdrazakov beeindruckt mit seinem prachtvollen Bass. Hier vereinen sich raumgreifende Kraft und samtige Fülle ideal, die Stimme ist beweglich, er kann richtig auftrumpfen, vermag aber auch im Leisen fein zu differenzieren. Kurz, er beherrscht technisch all das, was Villazón früher auszeichnete. Dem bleibt am Donnerstag nur die Flucht in den Klamauk. Bei der eigentlich herzerweichenden Liebesromanze „Musica proibita“ busselt er den Konzertmeister nach dem Violinsolo, tanzt bei „Granada“ Flamenco, grimassiert, ringt die Hände, reißt übertrieben theatralisch die Arme in die Luft. Ein trauriger Clown.

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