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Kultur: In der Ruhe liegt die Kraft

KLASSIK

Bruckner, heißt es oft, ist ein Fall für alte Herren. Erst am Ende eines langen Kapellmeisterlebens sei ein Dirigent in der Lage, den Monumentalwerken des österreichischen Romantikers mit der notwendigen Abgeklärtheit zu begegnen und die großräumigen Spannungs- und Entspannungsphasen organisch in den Werkablauf zu integrieren. Diese Ruhe besitzt Seiji Ozawa auf jeden Fall: Mit den Berliner Philharmonikern disponiert der 68-Jährige die Siebte ganz aus einem unerschütterlichen inneren Gleichmaß – als klassische Sinfonie ohne Zweifel und Brüche einer vorausgeahnten Moderne, aber auch ohne das schicksalhafte Pathos eines traditionellen, romantischen Bruckner-Verständnisses. Ozawas drei Jahrzehnte als Chef des Boston Symphony Orchestra haben seine Ästhetik offenbar entscheidend geprägt. Wie viele amerikanische Dirigenten, wie Maazel und Levine, sucht er die Wahrheit der Musik an ihrer Oberfläche: Für Gefühligkeit sollen die saftigen Streicher bürgen, für die Dramatik sind die Blechbläser zuständig, die in der Philharmonie nahezu konstant an der Obergrenze der physisch erreichbaren Phonzahlen agieren. Doch die Klangpracht bleibt kalt, die monumentalen Steigerungen wollen nichts bewältigen, sondern sind bloß Ausweis selbstgewisser Kraxelkunst (noch einmal heute, 20 Uhr). Eine Konfliktvermeidungsstrategie, die zuvor schon eine spritzige Interpretation von Frank Martins Konzert für sieben Bläser verhindert hatte. Das 1949 uraufgeführte Stück transformiert den Geist der Wiener Unterhaltungsklassik in einen schnittigen Neoklassizismus à la Poulenc oder Strawinsky. Doch Ozawa dämpft die motorischen Energien und den trockenen Witz und liefert nur einen flauschigen Soundteppich, auf dem Philharmoniker-Solisten locker virtuos dahinplänkeln. In aller Ruhe und ohne Ziel.

Jörg Königsdorf

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