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Kultur: In jedem Mann steckt Satan

Männer sollten sich nicht rasieren und ihre Frauen nicht alleine lassen - beides könnte sie auf den Geschmack bringen.Diese tiefgreifende Weisheit zur Rettung gefährdeter Ehen ist ab sofort auf der Bühne der Neuköllner Oper zu überprüfen.

Männer sollten sich nicht rasieren und ihre Frauen nicht alleine lassen - beides könnte sie auf den Geschmack bringen.Diese tiefgreifende Weisheit zur Rettung gefährdeter Ehen ist ab sofort auf der Bühne der Neuköllner Oper zu überprüfen.Zusammen mit Studenten der Hochschule für Musik "Hanns Eisler" hat das findige Off-Theater zwei Einakter von Bohuslav Martinu ausgegraben und auf das erfreulichste wiederbelebt."1+1=3" ist ihr befremdliches, absurd erscheinendes Motto - Hinweis darauf, daß Absurdes und Surreales stets Martinus Opernschaffen prägt, das mit Jazz, Dada und futuristischer Technikbegeisterung die verstaubte romantische Ästhetik vertreibt.Und meint gleichzeitig doch nur das ganz gewöhnliche Einmaleins der Liebe, das mit dem Auftauchen eines Dritten der trauten Zweisamkeit im Leben wie auf der Opernbühne die Dramatik einhaucht.

"Zweimal Alexander" widmet sich dem Sujet als opera buffa im 1937 allgemein durchgesetzten neoklassizistischen Klanggewand, doch die wiederentdeckte Tradition auch frech verspottend.Das serviert das Hochschulorchester unter Ari Benjamin Meyers trotz rhythmisch prickelnder Klangschönheit manchmal noch ein wenig zu derb - nicht einfach für die frischen jungen Stimmen des koketten Kammerkätzchens Philomène (Kathrin Ziegler) und des unermüdlich sich sportlich ertüchtigenden Oskar (Stefan Glunz), da immer textverständlich durchzudringen.Mit temporeichem Witz treibt Regisseur Georgios Kapoglou das Geschehen - ungefähr Mozarts "Cosi fan tutte" auf den Kopf stellend - auf seinen Höhepunkt zu: eine von wilden Vodoo-Masken und magischen Tänzen belebte Alptraum-Sequenz, in der die Göttin der Ehe die treulose Amande (Lilia Milek) verdammt, von der gregorianischen Litanei des Gatten (Martin Schubach), der sie bartlos-unkenntlich verführte, und seinem singenden, die Tugend bewachenden Porträt (Matthias Jahrmärker) bekräftigt.

Das Surreale dient hier noch dem freundlichen Spott, der sich taghell und lebensnah auflöst."Die Tränen des Messers" sind seine blutige Konsequenz.Der Futurist Georges Ribemont-Dessaignes hat sein Libretto von 1928 psychoanalytisch aufgeladen, Christian von Götz dies symbolträchtig in Szene gesetzt."Der andere" steckt hier gleich im Angebeteten selbst - und entpuppt sich auf dem Höhepunkt der Hingabe immer wieder als Satan.Den bringen sowohl Martin Schubach als Radfahrer auf dem Einrad als auch Tobias Müller-Knopp als "der Erhängte" mit schneidender stimmlicher und körperlicher Geschmeidigkeit, großartig in erotischer Überheblichkeit und zynischem Narzismus.Ihnen zu Füßen die Frau, Eleonore, deren stummer Doppelgängerin auf der Couch ein Dr.Freud hysterische Anfälle diagnostiziert.Was Lilia Milek mit ihrem ausdrucksstarken, zu metallischem Aufblühen fähigen Sopran und sinnlicher Ausstrahlung leistet, ist grandios - eine künftige Lulu.Zum magischen Dreieck gehört aber auch die Mutter - Susanne Bohrmann gibt ihr skurril-anrührendes Profil.Ein Psycho-Spiel voll stimulierender Bilder (Viola Weltgen), dessen musikalische Komplexität Hagen Enke eindringlich realisiert - und eine deutsche Erstaufführung, die einmal mehr den großen Bühnen heimleuchtet.

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