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In KÜRZE: In KÜRZE

FORUM Großvater ist der Chef: „Tepenin Ardi“ von Emin Alper „Aga“, so nennt die Köchin des verwitweten, pensionierten Forstverwalters ihren Chef. Es ist die traditionelle Anrede für die Großbauern im gebirgigen Osten Anatoliens, die sich bis heute ihr patriarchalisches Regime führen.

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Großvater ist der Chef:

„Tepenin Ardi“ von Emin Alper

„Aga“, so nennt die Köchin des verwitweten, pensionierten Forstverwalters ihren Chef. Es ist die traditionelle Anrede für die Großbauern im gebirgigen Osten Anatoliens, die sich bis heute ihr patriarchalisches Regime führen. Der alte Faik ist einer von ihnen. Als sein Sohn Nusret und seine beiden Enkel zu Besuch kommen, lässt er sie nach seiner Pfeife tanzen. Sie sind ohnehin nicht so geraten, wie er es gern hätte: Nusret ist weich und nachgiebig, dessen Sohn Zafer nach dem Militärdienst traumatisiert, und der halbwüchsige Caner ein Tunichtgut. Faik fühlt sich bedroht von Nomaden, die angeblich ihre Ziegen auf seinem Land grasen lassen. Er will seine Nachkommen zu Verbündeten im Kampf gegen diese unsichtbaren Gegner machen.

Die wilde, gewaltige Landschaft Anatoliens bildet den dramatischen Hintergrund für familiendynamische Prozesse, deren Intensität sich schnell steigert. Faik spielt alle Beteiligten gegeneinander aus, aber die werden von ihren eigenen Obsessionen und Ängsten getrieben. „Hinter dem Hügel“, so die Übersetzung des Titels, vermutet Faik die Nomaden, die Ureinwohner dieser Gegend. Und wie im Western wehren sie sich gegen die Siedler, die ihnen ihr Land wegnehmen. Oder sind das Hirngespinste des Alten, der die Familie gegen einen äußeren Feind zusammenschweißen will? Daniela Sannwald

11.2., 20 Uhr (Cubix 9), 13.2., 13.45 Uhr (Cinestar 8), 18.2., 20.15 Uhr (Arsenal)

FORUM

Tagebuch einer Rückenkranken:

„Tiens ma droite“ von Zoé Chantre

Auch visuell starke Filme lassen sich nicht immer problemlos übersetzen. Bei „Tiens moi droite“ sind frankophone befähigte Zeitgenossen jedenfalls deutlich im Vorteil. Denn, auch wenn die autobiografisch geprägte Krankengeschichte der jungen Französin Zoé Chantre schon mit ihren expressiv animierten Zeichnereien und Toncollagen eine Menge hermacht, sollte man – wir sind immerhin im Lande Derridas – die Macht verbaler Assoziationen im filmischen Erinnerungsstrom nicht unterschätzen. Schon allein der Begriff der Wirbelsäule, an deren Verkrümmung die Filmemacherin seit Kindheit leidet, assoziiert im Französischen als „colonne“ Bilder von der ranken Säule bis zur stramm stehenden Marschkolonne. Und auch die Bandscheibe ist als „disque“ zugleich Drehscheibe, CD oder Festplatte. Dabei sind die von Zoé Chantre kunstvoll verspielt arrangierten Begegnungen mit Korsetten und Operationsvarianten  tagebuchartig intim, ohne zu privatisieren. Ein filmisches Selbsthilfeprojekt von erstaunlicher Lebensweisheit, das zugleich Lust macht, selbst den Camera-Stylo in die Hand zu nehmen. Doch soviel Fantasie wie Zoé Chantre müsste man erst einmal haben. Silvia Hallensleben

11.2., 22 Uhr (Cinemaxx4), 13.2., 14 Uhr (Delphi), 17.2., 19.30 Uhr (Cinemaxx4)

PANORAMA

Dorfschönheit in Nöten:

„Kuma“ von Umut Dag

Es beginnt tief hinten in der Türkei: Der schöne Hassan heiratet die schöne Ayse. Ein Märchenpaar, so scheint es. Doch in diesem Film ist vieles nicht das, was es zu sein vorgibt. Die Hochzeit ist lediglich ein Deal, der Ayse nach Wien bringt, in die Familie der krebskranken Fatma und ihres Mannes Mustafa. Die beiden Familienoberhäupter haben eigene Pläne mit der schüchternen Dorfschönheit. Bald schon brechen Wut und Eifersucht bei Hassans Schwestern hervor, die ihre Stellung in der Familie bedroht sehen. Und das sind nicht die einzigen Schwierigkeiten, mit denen Ayse in der Fremde konfrontiert wird.

Migrationskonflikte, Spannungen zwischen den Generationen, Geschlechterantagonismen, Homosexualität unter Muslimen: Der junge Wiener Regisseur Umut Dag hüllt hier einige heiße Themen in den Schutzmantel des klassischen Familienmelodrams – und verbrennt sich dennoch daran. Sein Debütfilm „Kuma“, der in diesem Jahr das Panorama eröffnet, weist zwar einige unerwartete Wendungen auf. Doch plätschert er meist so gemütlich dahin, wie die Nachmittagsstunden in einer türkischen Teestube. Dag treibt seine Darsteller häufig bedenklich nahe an den Soap-Opera-Stil des Fernsehens. Das wirkt befremdlich – bewegend ist es nicht. Julian Hanich

11.2., 22.30 Uhr (Cubix 7/8 ), 12.2., 22.30 Uhr (Colosseum 1), 13.2., 14 Uhr (International), 15.2., 17.45 Uhr (Cinestar 3)

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