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In KÜRZE: In KÜRZE

PANORAMA Zweimal G8-Gipfel in Genua: „Diaz“ und „Summit“ Eine im Vergleich zu den Dokumenten des arabischen Frühlings lange Inkubationszeit hatten zwei Filme im Panorama, die die dramatischen Ereignisse um den G8- Gipfel 2001 in Genua noch einmal aufrollen. Beide sind italienische Produktionen, einer mit dokumentarischem, der andere mit fiktionalem Ansatz.

PANORAMA

Zweimal G8-Gipfel in Genua:

„Diaz“ und „Summit“

Eine im Vergleich zu den Dokumenten des arabischen Frühlings lange Inkubationszeit hatten zwei Filme im Panorama, die die dramatischen Ereignisse um den G8- Gipfel 2001 in Genua noch einmal aufrollen. Beide sind italienische Produktionen, einer mit dokumentarischem, der andere mit fiktionalem Ansatz. Der Spielfilm ist in jeder Hinsicht gelungen: In „Diaz – Don’t clean up this Blood“ (18.2., 22.30 Uhr Colosseum) führt Regisseur Daniele Vicari die Schicksale ganz unterschiedlicher Personen für eine Nacht zusammen: jene des 22. Juli, als in der Genueser Armando- Diaz-Schule das Schlaflager von fast hundert Demonstranten von Polizisten brutal zusammengeknüppelt wurde. Protagonisten sind Demonstranten aus aller Welt, Journalisten und Polizisten. Zwischen die atmosphärisch dichten Spielszenen montiert Vicari Archivmaterial. Die Prügelschlacht in der Schule dauert quälend lang und ist auch sonst kaum erträglich. Zu Recht: Diese Ereignisse müssen in unserem historischen Bewusstsein bleiben.

„Summit“ von Franco Fracassi und Massimo Lauria erzählt mit Interviews und Archivmaterial von denselben Geschehnissen, fokussiert dabei auf die Frage nach offiziellen Strategien hinter der staatlichen Gewalt. Überzeugend die These, Berlusconi habe ein Klima der Einschüchterung schaffen wollen. Dass im sogenannten Schwarzen Block, der als Vorwand für Angriffe diente, polizeiliche Provokateure mitrandaliert haben, passt ins Bild. Nicht ganz neu, doch weniger bekannt: Auch deutsche Neonazis waren dabei. Filmisch ist „The Summit“ nur übliche politdokumentarische Kost, ein großes Forum möchte man beiden Filmen dennoch wünschen. Silvia Hallensleben

FORUM

Kambodscha, damals:

„Le sommeil d’or“ von Davy Chou

Morgendämmerung auf einer Landstraße. Plötzlich merkt man, dass die Mopeds und Lkw alle rückwärtsfahren. Dass der ganze Film rückwärtsläuft, obwohl die Fahrt vom Land in die Hauptstadt Phnom Penh geht. Vorwärts in die Zivilisation. Doch auch zurück in die Erinnerung. Denn der kambodschanisch-französische Dokumentarfilmer Davy Chou, Enkel eines dem Terror der Roten Khmer und des Pol-Pot-Regimes in den Jahren 1975–79 entkommenen Filmproduzenten, ist auf den Spuren einer zerstörten Kultur.

Unter dem westlich orientierten König Sihanouk war einst eine eigene kambodschanische Filmindustrie gegründet worden. So entstanden zwischen 1960 und 1975 etwa 400 Spielfilme, von denen heute gerade noch 30 in zum Teil verdorbenen Kopien erhalten sind. Pol Pot ließ sofort alle Studios schließen, Künstler und Produzenten wurden vertrieben oder ermordet, die Filme fast alle vernichtet. Doch es gibt rührende Reste. Davy Chow interviewt in seiner Doku „Le sommeil d’or“ (18.2., 19.30 Uhr (Cinemaxx 4) Überlebende: Eine noch immer stolze Frau, die heute als Tanzlehrerin arbeitet und als Mädchen ein bildschöner Star war, zeigt Fotos von den Sets und den Partys einer glamourösen „goldenen“ Zeit. Die Bilder werden untermalt von den Songs jener alten Filme – deren Stil einer schlichten Variante der Bollywood-Melodramen glich. Die einstigen Kinos in der Innenstadt von Phnom Penh sind indes nur noch verrußte Geisterhöhlen, in denen die Ärmsten hausen. Einmal nur flackert einer der alten Filme dort über die Brandmauern. Wie ein fahler, ferner Traum. Peter von Becker

FORUM

Schulbank drücken: „Escuela Normal“ und „Soldier/Citizen“

In der Schule lernen wir fürs Leben. Misstrauische Charaktere haben den Verdacht, dass damit vor allem die Einübung bestehender Machtstrukturen gemeint ist. In eine ähnlich Richtung zieht Celina Murgas Doku „Escuela Normal“ (19.2., 19.30 Uhr, Cinestar8) der sich mit Kamera in einer nordargentinischen Oberschule herumtreibt. Fahnenappell, Schnipsel aus Unterrichtsstunden, Freizeitgeplänkel und der Wettbewerb mehrerer Gruppen: Der Film beobachtet das in beiläufiger Manier und findet beim Herumstreifen manch schönes Detail, doch keinen Fokus, der mehr daraus machen würde als die impressionistische Skizze einer mit sich selbst beschäftigten Institution.

In Silvina Landsmanns „Soldier/Citizen“ (18.2., 22 Uhr, Cinemaxx 4) lernen israelische Soldaten für ein Leben nach dem Militärdienst. Die Armee gibt ihnen die Chance, am Ende ihres Dienstes verpasste Schulabschlüsse nachzuholen. Der Film begleitet eine Unterrichtseinheit im Fach Staatsbürgerkunde, wo ein ziviler Lehrer versucht, den jungen Männern Begriffe wie Toleranz, Pluralismus oder Menschenrechte beizubringen. Leicht ist das nicht, denn die meisten Soldaten haben ihre soziale Empfindsamkeit verloren. Landsmanns Film ist eine verdichtete, schwer erträgliche Lehrstunde in Chauvinismus. Die zentrale Rolle des Militärs in der israelischen Gesellschaft lässt breitere Repräsentativität befürchten. Bleibt zum Trost der tapfere Lehrer als Fels im anwogenden Hass. Silvia Hallensleben

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