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Kultur: IN KÜRZE

HANNA LEMKEGesichertes.Kurzgeschichten.

HANNA LEMKE

Gesichertes.

Kurzgeschichten.

Kunstmann Verlag,

München 2010.

189 Seiten, 17,90 €.

Wer wen auf welcher Party kennt, wer wie den Weg nach Hause findet und wann wo morgens aufwacht, ist nicht immer sicher. Sicher ist eigentlich nur die Unsicherheit. Bei all den Feiern, WGs und Nebenjobs. Bei dieser endlosen Freiheit. Von unzähligen Personen, Geschwistern, Freunden und Bekannten erzählt Hanna Lemke in „Gesichertes“. 18 Kurzgeschichten in äußerst reduzierter Sprache.

Da ist Libbets, die ihre Wohnung nie findet. Und Georg, der es in einer Wohnung stets bloß ein Jahr aushält. Stella, die damals in die gleiche Klasse ging, tritt betrunken auf Marek ein und befindet: „Das musste sein.“ Katrin mit dem Porzellanpuppengesicht hat genug von Männern, die sie nach ihrem Äußeren beurteilen, weshalb sie Aufkleber mit der Aufschrift „sexistische scheißekacke“ anfertigt.

Das klingt ein bisschen nach Heimatromantik, den guten alten Zeiten. Es ist aber: die behutsame Analyse einer Generation, die getrieben ist und sich treiben lässt. Die sich fragt, was sie hier eigentlich macht. Die längst nicht mehr aus politischen Aktivisten besteht, aus Rebellen oder Meinungsmachern. Ob es daran liegt, dass sich junge Menschen heute oft verloren vorkommen? Denn das tun sie im Debüt von Hanna Lemke, Jahrgang 1981. Sie lachen darüber, dass der Vater anruft und fragt, ob man bereits ein gesichertes Einkommen hätte. Obwohl ihnen beim Gedanken an all die Anforderungen und Ansprüche ganz schlecht wird. Sie tanzen und trinken, heißen Fiffi oder Laurenz, achten auf ihre „sorgfältig verwuschelten Haare“ – und sind trotzdem alle gleich. Und sie beobachten sich selbst, so scharf und klar, dass sie einen Abstand zu sich selbst zu bekommen scheinen, und ein bisschen auch zur Welt.

Der konturlose Individualismus. Die Bindungsangst. Die Ziellosigkeit. Hanna Lemke schreibt mit großer Zurückhaltung über große Themen. Vielleicht überlegt sie ja bei jedem einzelnen Wort, ob es nicht doch zu viel wäre, zu viel Poesie, zu viel Pathos? Lemkes Stories sind jedenfalls angenehm unfertig, sie werden im Kopf des Lesers weitergesponnen. Das zumindest ist sicher.

Annabelle Seubert

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