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Kultur: In Martin Keunes "schrägem Hauptstadtkrimi" herrscht allerlei Wortgequirle

Schon nach der ersten Seite steht fest: Peer Mertens ist ein Widerling. Wie er da im Morgengrauen im Bett liegt und seine Eroberung mustert: "Die Kleine schlief mit offenem Mund und sah für eine Siebzehnjährige ganz schön angedreißigt aus.

Schon nach der ersten Seite steht fest: Peer Mertens ist ein Widerling. Wie er da im Morgengrauen im Bett liegt und seine Eroberung mustert: "Die Kleine schlief mit offenem Mund und sah für eine Siebzehnjährige ganz schön angedreißigt aus." Der Mann fährt ein Protzmobil und erfüllt auch sonst alle Klischees eines Ekelmachos. So einem traut man allerlei Schlechtes zu.

Der "schräge Hauptstadtkrimi", wie der Verlag vollmundig preist, kann beginnen. Und Autor Martin Keune ist redlich bemüht, seine Geschichte mit Lokalkolorit zu würzen. Zwischen Savignyplatz und Prenzlauer Berg lässt er seine Protagonisten pendeln, schickt sie in die Heerstraßen-Sauna oder ins Kulturkaufhaus in der Friedrichstraße. Soweit Berlin. Und der Krimi? Peer Mertens hat ein Kind überfahren und ist geflüchtet. Pech, dass ausgerechnet Paula ihn dabei beobachtet hat. Als ehemalige Hausbesetzerin glaubt sie sowieso nicht an die Polizei, und Hauptwachtmeister Harrer scheint dem Fall, dreißig Dienstjahre hin oder her, tatsächlich nicht gewachsen zu sein. Peer Mertens hatte sein Fahrzeug zum Zeitpunkt des Unfalls als gestohlen gemeldet. Zudem hat er ein Alibi. Bei einem dieser schicken Italiener habe er gesessen, selbstverständlich gibt es Leute, die ihn dort gesehen haben. Also nimmt Paula die Sache selbst in die Hand. Die Frau mit der "großen Stupsnase" startet einen pfiffigen Rachefeldzug, der Peer Mertens an den Rand der Verzweiflung bringt. Da werden ihm -zig Kühlschränke geliefert, und Hunderte von Teenies bevölkern seinen Dahlemer Vorgarten, weil sich angeblich Michael Jackson in eben diesem Haus aufhalten soll. Um Ideen dieser Art ist der vierzigjährige Autor, der sein Geld in einer Werbeagentur verdient, nicht verlegen. Auch sprachlich zieht er ordentlich kreativ alle Register. Ein Hund ist dann "dumm wie Seife", oder der Gesichtsausdruck einer Frau ähnelt "einer pfuschig gestempelten Sonderbriefmarke des Zoologischen Gartens". Wer derlei Sprachpurzelbäume mag, wird reich beschenkt. Die Spannung der Geschichte aber, und auf die kommt es bei einem Krimi doch vor allem an, tritt durch beständiges Wortgequirle in den Hintergrund. Zu wenig raffiniert ist der Plot angelegt; bevor wir es lesen, ahnen wir schon, was als Nächstes geschieht. So überrascht wenig, dass Mertens am Schluß gar nicht gut aussieht.

Wer mag, kann im Internet unter der Adresse www.mertens-puppe.de ins Buch reinlesen. Fotos von Schauplätzen des Romans hat uns der Verlag dort versprochen, und wir wollten schon gern sehen, welches Restaurant sich hinter der "wirklich renommierten Prass-Adresse am Savignyplatz" verbirgt. Genau die Bilder, die uns interessiert hätten, hat Martin Keune aber nicht "ins Netz gestellt". Dafür eine Short Story des Autors als Zugabe.Martin Keune: Die Mertens-Puppe, dtv, München 1999, 156 Seiten, 16,90 DM

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