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Kultur: In Position

Nobel-Akademie, SPD und Rushdie zur Grass-Debatte.

Peter Englund, Sekretär der Schwedischen Nobelpreis-Akademie in Stockholm, hat im Blog der Akademie erklärt, es gebe keinen Anlass, Günter Grass wegen seines umstrittenen Gedichts „Was gesagt werden muss?“ den Literaturnobelpreis streitig zu machen. Er erlaube sich festzustellen, so Englund, „dass Herr Grass den Nobelpreis für Literatur des Jahres 1999 aufgrund literarischer Verdienste, und ausschließlich aufgrund literarischer Verdienste, erhalten hat – was, nebenbei gesagt, für alle Preisträger gilt.“ Die Akademie sehe „heute wie zukünftig keinen Anlass für eine Diskussion, ihm diesen Preis in irgendeiner Weise streitig zu machen“. Der Verband hebräischsprachiger Schriftsteller hatte eine Stellungnahme u. a. vonseiten der Nobel-Akademie gefordert. „Sie müssen sich von der Verletzung grundlegender menschlicher Werte distanzieren und klar Position beziehen.“

Bundestags-Vizepräsident Wolfgang Thierse nahm Grass wiederum gegen den Vorwurf des Antisemitismus in Schutz. Man müsse Grass wegen seiner falschen Argumente widersprechen, aber er halte es für fatal zu behaupten, aus dem Schriftsteller spreche „noch nach 60 Jahren der Waffen-SS-Mann, der er als Jüngling nicht ganz freiwillig gewesen ist“. Entwicklungsminister Dirk Niebel (FDP) verteidigte hingegen das von Israel gegen Grass verhängte Einreiseverbot. „Israel hat jedes Recht der Welt, ehemalige SS-Leute nicht ins Land zu lassen“, so Niebel zur „Leipziger Volkszeitung“. Niebel war bis 2010 Vize-Präsident der Deutsch-Israelischen Gesellschaft.

Unterdessen erklärten mehrere SPDPolitiker, sie wollten künftig auf Wahlkampfhilfe von Grass verzichten.Dazu gehörte auch der Parlamentarische Fraktions-Geschäftsführer Christian Lange. Mit seinem sogenannten Gedicht habe sich „die Frage von künftigen Wahlkampfunterstützungen für die SPD erledigt“, sagte er. Der schleswig-holsteinische SPD-Chef Ralf Stegner hält dies hingegen für übertrieben. Thierse sagte dazu, die Frage stelle sich wegen Grass’ Alter vermutlich gar nicht. Wie Thierse warnte auch SPDGeneralsekretärin Andrea Nahles davor, Grass zur unerwünschten Person zu erklären. Über das Gedicht müsse sich die Partei mit ihm streiten, aber er bleibe „ein ebenso unbequemer wie gern gesehener Gast. Innerhalb und außerhalb von Wahlkampfzeiten“, sagte Nahles.

Der Schriftsteller Salman Rushdie twitterte, dass die bedeutendsten literarischen Reaktionen auf den Nationalsozialismus von Grass stammten, „Die Blechtrommel“, „Katz und Maus“ und „Hundejahre“. Überdies könne niemand ernsthaft glauben, Grass sei ein Antisemit. „Es geht um ein schlechtes Gedicht und Israels schlechte Reaktion darauf. Andererseits schreibt er, es sei okay, dass Grass’ Gedicht „auf Missfallen, ja Abscheu“ stoße. „Aber der Bann gegen ihn ist kindischer Trotz. Auf Worte sollte man immer nur mit anderen Worten reagieren.“ Gegen Rushdie hatte Irans Staatschef Khomeini wegen dem Roman „Die satanischen Verse“ 1989 eine Fatwa verhängt. Wegen neuer Morddrohungen hatte der britischindische Schriftsteller kürzlich die Teilnahme an Indiens größtem Literaturfestival abgesagt. Tsp (mit dpa, dapd, Reuters)

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