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Kultur: Indien: Psychologie-Professor Hans Spada: "Am Ende herrscht vor allem Ärger"

Hans Spada (56) ist Psychologie-Professor an der Universität Freiburg. Er erforscht, warum Wunsch und Handeln oft nicht zusammenpassen.

Hans Spada (56) ist Psychologie-Professor an der Universität Freiburg. Er erforscht, warum Wunsch und Handeln oft nicht zusammenpassen.

Das Erdbeben in Indien hat viele Menschen erschüttert. Viele wollen helfen. Das wiederholt sich bei jeder Katastrophe. Wie erklären Sie sich das?

Ein Erdbeben ist eine Naturkatastrophe, ein Schicksalsschlag, an dem niemand schuld hat. Man empfindet große Trauer mit den Opfern. Man ist betroffen, weil man Einzelschicksale sieht. Man sieht Eltern, die ihr Kind unter einem Schuttberg vermissen, oder eine Frau, die ihre Mutter meint noch retten zu können. Es ist eine völlig natürliche Reaktion, dass man helfen möchte. In dem Moment denkt man nicht daran, dass eine Spende erst einmal niemandem direkt zu Gute kommt, sondern erst später wirken kann. Spontane Hilfe ist ein sehr natürlicher und auch positiver Mechanismus.

Hat sich das verändert, weil ganz schnell Bilder auf dem Markt sind?

Selbstverständlich. Die Möglichkeit, sich einzufühlen, ist viel größer. Früher hätte sich diese Betroffenheit nur eingestellt, wenn man am Ort oder zumindest in der Nähe ist. Die Bilder liefern einem das Geschehen hautnah. Es geht einem Nahe.

Das hält meist nicht lange an. Sehr schnell wollen die Leute gar nicht mehr wissen, wie es im Katastrophengebiet aussieht.

Das ist ein ganz anderer Mechanismus. Zuerst ist es eine Naturkatastrophe. In den Tagen danach erfährt man dann aber sehr viel Negatives: Es ist schlecht gebaut worden; Hilfsgelder kommen nicht an, weil es Korruption gibt. Man erfährt, dass vieles schief geht. Man sieht die Opfer in einer anderen Rolle, wie sie sich beklagen. Das verändert die Einstellung. Man fängt sich an zu ärgern, wird missmutig und verdrossen. Das macht tatsächlich hilflos, weil man sich sagt, da kann ich ja gar nicht helfen. Am Ende steht dann der Eindruck: Die sind ja selbst schuld.

Bleibt dieses Gefühl dann bis zur nächsten Katastrophe?

Es ist die Frage, wie gut es Hilfsorganisationen gelingt, eine Beziehung aufzubauen. Das große Ganze wird mit der Zeit immer weniger fassbar. Außerdem erfährt man über die Medien viel Negatives. Dann sagt man sich, das ganze ist so ärgerlich, es bringt nichts. In den Medien gerät die Katastrophe in Vergessenheit.

Können Hilfsorganisationen dieses Vergessen verhindern?

Es hängt davon ab, ob die Hilfsorganisationen in der Lage sind, deutlich zu machen, was mit dem Geld tatsächlich passiert. Und ob es gelingt, das Geld weiterhin mit einzelnen Schicksalen zu verbinden. So schlimm es ist: Für die Hilfsorganisationen sind Katastrophen wie jetzt das Erdbeben in Indien absolut überlebensnotwendig. Denn es braucht immer wieder einen Pusch, damit die Menschen bereit sind, Unterstützung zu geben. Das lässt sich auf die Formel bringen: Ohne Katastrophe keine Hilfe.

Das Erdbeben in Indien hat viele Menschen ersch&uu

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