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Von links: Eckhart Nickel, Maxi Obexer, Karin Peschka, Ferdinand Schmalz, Noemi Schneider, Jackie Thomae, Björn Treber und John Wray.

© Gert Eggenberger/APA/dpa

Ingeborg-Bachmann-Preis 2017: Wenn Hunde sich erleichtern

Baden gehen im Wörther See: Am zweiten Tag des Literatur-Wettbewerbs in Klagenfurt lesen Barbi Markovic, Ferdinand Schmalz und Verena Dürr.

Es ist schönstes, schwülwarmes Wetter dieser Tage in Klagenfurt, trotz immer mal wieder aufziehender Gewitter, und natürlich gehört gerade dann das Baden im Wörther See zum Pflichtprogramm beim Ingeborg-Bachmann-Wettbewerb. Was – neben der am Eingang aufgebauten Leihbibliothek – in dem großen, zentralen Schwimmbad am See beim Gang quer über die Liegewiesen auffällt: Es wird wirklich alles Mögliche gelesen, von der „Kleinen Zeitung“ über die „Krone“ bis zu irgendwelchen Heftchen, aber auch Bücher, und nicht nur Trash, sondern mitunter gehobenere Literatur.

Ein älteres Paar hat Vea Kaisers Roman „Blasmusikpop“ auf dem Handtuch liegen, dort liest jemand Julian Barnes’ Roman „Flauberts Papagei“ in einer zerfledderten Taschenbuchausgabe und jeden Tag liegt auf einem der Stege frühmorgens wie am späten Nachmittag eine komplett braun gebrannte jüngere Frau, die man eher als Figur in einem Ulrich-Seidl- Film verorten würde, und blättert im dritten Karl-Ove-Knausgard-„Min Kamp“- Band „Spielen“.

Gute Aussichten für die Literatur also, für die Teilnehmer und Teilnehmerinnen des Bachmann-Wettbewerbs sowie die über ihre Texte debattierende Jury im ORF-Studio. Dies hier ist eben doch kein Spartenprogramm, die Literatur kein Nischenprodukt. So gibt es dann auch bei den Diskussionen nicht nur die reine Texthermeneutik. Die Jury fragt sich schon mal, ob Hunde eigentlich „Kot absetzen“ oder beim Pinkeln „sich erleichtern“, sie stolpert bei der Lesung von Barbi Markovic am Freitagvormittag über den „wurzellosen Rettich“, den Sandra Kegel mit einem „Rolling Stone“ vergleicht – roll' Rettich, roll'! –, und sie freut sich über den Hut des österreichischen Autors Ferdinand Schmalz, so als käme der Mann von einem anderen Stern, als würden Style und Literatur nicht zusammengehen. (Der Pop-Mann Eckhard Nickel mit seiner weißen Hose und seinen strahlend weißen Chucks kommt ja erst am Samstag.)

Die Jury holt die große Literaturwelt in die Debatten hinein

Und schließlich holt die Jury gern auch die große weite Literaturwelt in die Debatten mit herein, von Ödon von Horváth über Kafka bis hin zu den Schweizer Autoren, die es mit den Höhlen hatten, so wie Hermann Burger mit seinem Roman „Die künstliche Mutter“. Fein und auflockernd ist es dann, wenn selbst die Autoren einmal interagieren. Barbi Markovic etwa schaut während ihrer Lesung plötzlich auf und sagt „und jetzt alle gemeinsam“, als sie die Seite ihres Textes umblättert.

Der Name von Hermann Burger fällt aus Anlass von Verena Dürrs zwischen literarischer Reportage (aber doch einer ziemlich öden, sachlichen) und Parabel (nur mit welcher Lehre?) pendelndem Text „Memorabilia“, der von Kunstwerken in einem sogenannten Zollfreilager in einem Berg handelt. Dürrs blass-konzeptueller Text findet verhältnismäßig viel Beifall bei der Jury, erstaunlicherweise.

Noch begeisterter jedoch ist sie von dem Auftritt und der böse-lustigen, nicht zuletzt auch sprachlich überzeugenden Schauergeschichte von ebenjenem Ferdinand Schmalz – so begeistert, dass dieser John Wray ernsthafte Konkurrenz machen wird, wenn am Sonntag die Preise verliehen werden.

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