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Kunst

© Thilo Rückeis

Interview: Eine Messe für Entdecker

12. Art Forum Berlin: Sabrina van der Ley und Christian Nagel über enttäuschte Galeristen, findige Sammler und fleißige Künstler.

Das Art Forum hat zum ersten Mal einen Titel: „About Beauty“. Was ist denn Schönheit für Sie?

CHRISTIAN NAGEL: Das, was man nicht von ihr erwartet.

SABRINA VAN DER LEY: Die Schönheit liegt im Auge des Betrachters, und wir wollen eine schöne Messe machen. Aber Spaß beiseite: Das ist genau diese Art von Aussage, die irritieren soll. In der Kunsttheorie spielt der Begriff gegenwärtig keine Rolle, aber man kann ihn noch mal hinterfragen.

Auch Roger M. Buergel hat bei seiner Documenta 12 mit dem Begriff jongliert. Gibt es einen Bezug?

VAN DER LEY: Offenbar liegt das Thema in der Luft. Es gab diverse Ausstellungen zum Thema in den vergangenen Jahren.

Aber ist es nun ein Werbeslogan oder ernst gemeintes Thema für die Messe?

VAN DER LEY: Es ist kein Thema auf der Messe und auch kein Motto, sondern soll zum Nachdenken anregen.

NAGEL: „About Beauty“ impliziert die Frage, was Schönheit sein könnte. Vielleicht ist gerade die Schönheit interessant, die man nicht gleich sieht.

VAN DER LEY: Das Logo mit Slogan ist kein Hauptmerkmal der Messe und auch kein Feigenblatt, denn die Messe dient den Galerien nach wie vor zum Geldverdienen. Sie ist aber auch da, und zwar vorrangig, um neue Positionen vorzustellen. Berlin war immer schon eine Messe, die mehr Wert auf Inhalte und Präsentationsformen legt und nicht auf die üblichen Verdächtigen. Daher passt es zu uns, sich einen Slogan zuzulegen.

Ändert sich denn auch inhaltlich etwas?

VAN DER LEY: Es gibt räumliche Änderungen. Die Freestyle-Galeriestände sind nun in einer Halle zusammengefasst und in die Nähe der Sonderausstellung gerückt, weil ihre Präsentationsform eher an eine Ausstellung erinnert als an einen regulären Messestand. Dadurch haben wir Platz für sechs weitere Stände gewonnen und sind nun bei 136 Teilnehmern.

Gibt es programmatisch Neues?

NAGEL: Das Art Forum wird, im Gegensatz zur Frieze in London, keine neuen Hallen hinzunehmen – auch wenn die Zahl der Bewerber stetig wächst. Wir versuchen zu komprimieren, aber an Größe und Erscheinungsbild wird sich nichts ändern. Das verlangt mehr von der Auswahlkommission, denn sie muss nun Galerien ausjurieren, die bereits dabei gewesen sind.

Wie reagieren die betroffenen Galeristen?

VAN DER LEY: Wenn alle teilnehmen könnten, die schon einmal dabei waren, müssten wir ja nie wieder jurieren. Es gibt eine Wettbewerbssituation. Möglicherweise sind diesmal neue Galerien mit einem spannenderen Programm dabei. Da die Jury jedes Jahr wechselt, gibt es auch jedes Mal einen anderen Blick.

Wo will die Messe hin? Was ist die Zielvorgabe, etwa bei den Besucherzahlen?

VAN DER LEY: Je mehr kommen, desto besser. Die Besucherzahlen spielen zwar kaum eine Rolle fürs Geschäft, aber es ist schön zu sehen, dass sich immer mehr Menschen für Gegenwartskunst interessieren. Die Publikumszahlen steigen stetig, jedes Jahr werden es rund 5000 mehr. Zuletzt waren es 41 000.

Wo sieht sich das Art Forum zwischen den Messen in Basel, Köln, London oder Miami?

NAGEL: In den vergangenen Jahren ist aus dem tiefen Tal der nicht existenten Sammler in Berlin ein kleiner Berg angewachsen – von Berliner, aber auch von ausländischen Sammlern. Inzwischen lässt sich das Art Forum mit der Armory Show in New York vergleichen, denn in beiden Städten arbeiten sehr viele Künstler. Das sind zwar nicht die umsatzträchtigsten Messen, aber dafür produzieren viele Künstler direkt in die Messe hinein, weil sie ihre Ateliers vor Ort haben. Ich bin mir sicher, dass sich da sowohl von Aussteller- als auch Sammlerseite in den nächsten Jahren noch etwas zulegen lässt. Die Entwicklung ist längst nicht abgeschlossen. Vor nicht allzu langer Zeit stand das Art Forum noch auf wackligem Grund. Mittlerweile sind wir in Europa nach Basel und London die drittwichtigste Messe. Das sieht man auch am Rahmen – gesellschaftlich wie ausstellungstechnisch.

VAN DER LEY: Es wurde immer bemängelt, dass es die Stadt versäumt, bei einer bedeutenden Veranstaltung wie dem Art Forum angemessen aufzutreten. Das hat sich in den letzten Jahren geändert.

Vergangenes Jahr, so war zu lesen, hätten die Galeristen auf dem Art Forum nur B-Ware angeboten.

VAN DER LEY: Das ist allein deshalb Quatsch, weil auf dem Art Forum überwiegend frische Arbeiten eingeliefert werden. In vielen Fällen laufen die Geschäfte der Galerien so gut, dass sie keine B-Ware mehr im Angebot haben.

Vielleicht war mit dem Begriff auch das Preissegment gemeint.

NAGEL: Das Art Forum steht für zeitgenössische Kunstproduktion der letzten Jahre. Die kostet selten gleich 100 000 Euro. Deshalb ist die preisliche Einordnung sicher richtig. Es gibt davon abgesehen gar keine Messe ohne die sogenannte B-Ware. Man muss auf großen Kunstmessen mit einem breiteren Angebot aufwarten, damit auch Leute kommen, die in ihrem Geschmack noch nicht spezialisiert sind und dennoch etwas finden können. Von daher ist der Vorwurf banal.

VAN DER LEY: Das Art Forum ist eine Spartenmesse und von seinem Spektrum her ganz anders einzuordnen als etwa die Art Basel. Wir haben keine Klassische Moderne. Bei uns werden die meisten Umsätze im mittleren Segment gemacht. Natürlich gibt es auch Arbeiten im sechsstelligen Bereich, wenn auch nicht viele. Das war auch nie der Anspruch. Wir konzentrieren uns auf die Gegenwart, weil Berlin ein wichtiger Produktionsstandort für Deutschland ist, vielleicht sogar der wichtigste für Europa. Das muss auf der Messe zu sehen sein.

NAGEL: Das Art Forum ist eine Entdeckermesse. Hierher kommen Sammler, die experimentierfreudig sind und sich die Frage stellen: „Was ist etwas wert?“ Oder: „Wann bekommt es einen Wert?“ Das ist etwas anderes als das Sammeln von Kunsttrophäen. Auch hier kann man den Markt massiv beeinflussen, wenn zwei oder drei Sammler denselben Künstler kaufen. Da ist jemand aktiv gefragt, sich in den Prozess der Wertbestimmung einzumischen.

Wo sieht sich Berlins Kunstmesse in zehn Jahren?

NAGEL: Wir werden sicherlich noch bessere Galerien gewinnen. Momentan sind wir im oberen Mittelfeld und trotzdem noch nicht da, wo sich andere Messen befinden. Was Galerien etwa aus London oder New York anbelangt, gibt es noch ein Manko. Aber wenn Berlin als Kunststadt noch attraktiver wird, werden diese internationalen Galerien auch bei uns anklopfen. Die Stadt ist wirtschaftlich im Aufschwung begriffen; zum Beispiel sind die Immobilienpreise massiv gestiegen.

Von diesem Aufschwung profitieren auch andere. Um das Art Forum herum hat sich eine ganze Phalanx von Satellitenmessen gebildet. Wie finden sie das?

NAGEL: Ich wäre glücklich, wenn es eine gute Gegenmesse gäbe. Das ist in Basel und Miami genau das Gleiche. Auf diesen Messen scheint jeder auf der Stirn stehen zu haben: „Lass mich teilhaben!“ Und: „Wie kann ich meine Sachen am schnellsten verkaufen?“ Das Niveau ist meist eher bedrückend. Sollen sie ihre Veranstaltungen machen, aber es taugt nicht viel.

Das Gespräch führten Nicola Kuhn und Christiane Meixner.

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