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Der australische Schauspieler Hugh Jackman bei der Premiere von "Real Steal" in München. Der Film läuft am 10. November 2011 in den deutschen Kinos an.

© dapd

Interview: Hugh Jackman: "Mein Sohn hasst Paparazzi"

Seine heutige Frau wollte nichts von ihm wissen, dann adoptierten sie zwei Kinder. Schauspieler Hugh Jackman über die Rolle als Vater und wie er seinen Jungen zur Höflichkeit drillt.

Hugh Jackman, 43, geboren in Sydney, ist einer der höchstbezahlten Schauspieler Hollywoods. Für seine Rolle in „Real Steel“, der am Donnerstag anläuft, erhielt er 9 Millionen Dollar. Der vom „People“-Magazine 2008 zum „Sexiest Man Alive“ gekürte Star wurde durch die Actionfilm-Reihe „X-Men“ weltberühmt.

Mister Jackman, zu Beginn ein Assoziationsspiel. Was fällt Ihnen ein, wenn Sie an Familie denken?

Priorität.

Eltern?

Kompliziert.

Kinder?

Ähh...

Sie zögern?

Ich versuche, ein Wort zu finden. Es sind so viele Gefühle damit verbunden. Vielleicht ist es das: Gefühle.

Die Bindung zwischen Eltern und Kindern?

Nicht naturgegeben. Daran muss man arbeiten.

Das sehen wir in Ihrem neuen Film „Real Steel“. Darin spielen Sie einen abgehalfterten Boxtrainer, der einen zehnjährigen Sohn hat und ihn zur Adoption freigeben möchte.

Ich mochte an der Rolle die Idee, eine zweite Chance zu haben. Das gab es in meiner Familie auch, allerdings lief das anders ab.

Ihre Mutter verließ die Familie, als Sie acht waren. Sie ging von Australien zurück nach England, Ihr Vater hat Sie und Ihre vier Geschwister allein groß gezogen.

Vier Jahre lang habe ich gehofft, dass meine Eltern wieder zusammenkommen. Als ich zwölf war, haben sie es tatsächlich noch einmal versucht. Aber es klappte nicht. Danach war ich unendlich traurig. Ich wusste, das war ein Schlussstrich.

Haben Sie noch Kontakt zu Ihrer Mutter?

Ja, sie lebt in England. Ich habe noch eine jüngere Halbschwester, mit der ich mich gut verstehe.

Ihr Vater hat Sie aber geprägt.

Er ist mein Fels in der Brandung, ein ruhiger Mann, der an Taten und nicht an Worte glaubt. Sein Arbeitsethos war protestantisch. Er war Buchhalter und hasste es, wenn er einen Tag im Büro verpasste. Zuverlässigkeit war ihm sehr wichtig. Ich habe mein Leben damit verbracht, ihn zu beeindrucken. Wenn ich eine gute Note bekam, war ich glücklich, weil ich wusste, das macht ihn stolz. Sehen Sie, ich war und bin ein „people pleaser“ – ich will, dass die Menschen mich mögen.

Sie haben Ihrem Vater zuliebe das Journalistikstudium durchgezogen, obwohl Ihnen nach der Hälfte klar war, dass Sie kein Reporter werden wollten?

Seine Stimme in meinem Kopf hat mir eingeschärft, eine Sache so lange weiterzuverfolgen, bis ich einen triftigen Grund finde, sie aufzugeben. Ehrlich gesagt war ich mit Anfang 20 einfach unsicher. Damals dachte ich, warum nicht Reisereporter für das Radio werden?

Große Enthüllungsstorys wollten Sie nie schreiben?

Ich habe politische Artikel an der Universität geschrieben. Eine Leidenschaft hatte ich nie dafür. Im letzten Jahr hatte ich eine Lehrerin, Wendy Bacon, eine berühmte australische Journalistin. Sie brachte mit ihren investigativen Reportagen Richter des Obersten Gerichtshof zu Fall. Ich sah, dass ich nicht die Hälfte ihres Feuers besaß. Allein ihre Persönlichkeit war ganz anders als meine.

Wie war sie denn?

Sie war wie ein Hund, der einen Knochen nicht mehr loslässt. Sie versuchte, die Geheimnisse anderer Menschen zu ergründen. Ich wollte nur das Beste in ihnen sehen. Ich hätte einen Serientäter interviewen können und am Ende an seine Unschuld geglaubt. Mir fehlte einfach der Biss für den Job. Und es machte mir die Arbeit nicht gerade schmackhaft, wenn jeder zu uns im Studium sagte: Oh, die ersten fünf Jahre werden die Hölle sein, ihr Anfänger werdet für die „death knocks“ abgestellt.

Sie meinen, wenn ein Journalist an den Türen von Hinterbliebenen klopft und sie um Interviews bittet.

Ich dachte, nie im Leben will ich das tun! Deshalb habe ich mir nach dem Studium eine Auszeit gegönnt. In diesen Monaten habe ich auch Schauspielunterricht genommen und blieb dabei.

Lesen Sie auf der nächsten Seite, warum seine heutige Frau zunächst nichts von Jackman wissen wollte.

Ihr Vater fand das super?

Er hat mich rückhaltlos unterstützt.

Haben Sie damals den Vorsatz gefasst, sich auf keinen Fall wie Ihre Eltern scheiden zu lassen?

Ja, mir sollte das nicht passieren. Meine Entschlossenheit stand mir bis Mitte 20 sehr im Weg, wenn ich eine Frau kennenlernte. Ich hatte einfach nie das Gefühl der absoluten Sicherheit. Sobald ich ein wenig Ablehnung spürte, war ich weg. Das änderte sich erst, als ich meine jetzige Frau traf.

Sie lernten sich 1995 auf dem Set der Fernsehserie „Corelli“ kennen. Ihre Frau, Deborra-Lee Furness, war der Star, Sie kamen als Anfänger zum Dreh.

Ich wusste, mit ihr will ich eine Beziehung haben. Nur sie wollte erst nicht. Ich war 13 Jahre jünger als sie und ein Schauspieler. Das sprach beides gegen mich. Ich erinnere mich, als wir gerade drei Wochen zusammen waren, gingen wir auf ein Abendessen zu Freunden. Ich erzählte gerade eine Geschichte, alle hörten mir zu, nur Deborra saß am anderen Ende des Tisches und unterhielt sich weiter mit ihrem Sitznachbarn. Auf dem Weg nach Hause konnte ich ihre Gedanken lesen. Sie wollte raus aus der Beziehung. Ich sagte ihr: Wir sind füreinander geschaffen, ich weiß es einfach.

Klingt furchtbar.

Als diese Worte aus meinem Mund kamen, dachte ich auch: Wer ist denn dieser Typ? Es war, als hätte ich eine Pille geschluckt. Aber seit diesem Moment gab es keine grundsätzlichen Zweifel mehr.

Kinder wollten Sie auch sofort?

Von Anfang an. Wir haben im April 1996 geheiratet und uns gleich nach der Heirat darüber unterhalten. Die Ärzte gaben uns den Rat, mit einer In-Vitro-Befruchtung anzufangen, weil Deborra älter war. Wir hatten unendlich viele Arzttermine, meine Frau bekam Spritzen, das hatte nichts mehr mit Liebe zu tun. In jungen Jahren betet man förmlich darum, dass deine Freundin nicht schwanger wird – und als ich mir das dann wünschte, passierte einfach nichts.

Ihre Frau hatte mehrere Fehlgeburten. Das muss ein Schock gewesen sein.

Für sie war das noch schlimmer. Es ist ja nicht so, dass eine Frau darüber reden darf. Es ist ein Tabu. Einmal war es ganz schrecklich. Ein Paparazzo hatte Bilder von ihr geschossen, sie hatte wegen der Schwangerschaft bereits etwas Gewicht zugenommen – und dann erschien das Bild nach der Fehlgeburt. Darüber stand die Schlagzeile: „Ist Deborra schwanger?“ Das war ein Schlag ins Gesicht.

Dann entschieden Sie sich für eine Adoption.

Ich empfand das als natürlichen Schritt.

Warum hat es in Australien nicht geklappt?

Es gab zu viele Hürden. Zum einen gibt es kaum Kinder, die in einem jungen Alter zur Adoption freigegeben werden. Außerdem stellt der Staat Bedingungen, er will so Stabilität gewährleisten – unter anderem hätten wir zwei Jahre an ein und demselben Ort leben müssen, um einen Antrag stellen zu dürfen.

Das kam für Sie nicht infrage?

Ich bin Schauspieler. Wenn ich Arbeit in Melbourne erhalten hätte, könnte ich mich nicht mehr um eine Adoption in Sydney bemühen. Wir wussten, dass Amerika eine Option für unsere Karrieren war. Deshalb entschieden wir uns für eine internationale Adoption in den USA.

Dort war es anders?

Es ist ein privatisiertes Geschäft unter Aufsicht des Staates. Er stellt zwar sicher, dass man sich um das Wohl der Mutter kümmert, aber das Recht des Kindes steht über dem Recht der Eltern. Das ist ein riesiger Unterschied zu Australien.

Was heißt das konkret?

Falls das Kind in 15 von seinen ersten 22 Lebensmonaten in einer dauerhaften Notlage lebt, wird es zur Adoption freigegeben. Wenn es zum Beispiel verwahrlost, vernachlässigt oder gar missbraucht wird. In Australien kommen die Kinder in Pflegeheime, die Eltern erhalten die Möglichkeit, sie zurückzuholen. Grundsätzlich schön und gut, nur wo bleiben da die Rechte der Kinder? Sie werden in die Heime eingewiesen, dann wieder herausgeholt und später vielleicht zurückgebracht. Es ist durch Forschungen bewiesen, dass Heime die Entwicklung der Kinder massiv hemmen.

Wann haben Sie in den USA eine Agentur aufgesucht?

Wir hatten das erste Treffen, als ich 1999 für eine Woche in Los Angeles war, um für die Rolle des Mutanten Wolverine in „X-Men“ vorzusprechen.

Konnten Sie sich ein Geschlecht aussuchen?

Ja, auf dem Formular können Sie angeben, was Sie haben wollen …

Sagen wir mal: ein chinesisches Mädchen im Alter zwischen zwei und fünf Monaten.

Theoretisch geht das. Je genauere Vorstellungen Sie haben, umso länger dauert natürlich das Verfahren. Aber manche Eltern legen Wert darauf, dass ihre Kinder ihnen ähnlich sehen.

Sie nicht?

Wir wollten adoptieren, das war uns wichtig. Ich weiß noch, dass der Sachbearbeiter unser Formular in die Hand nahm und fragte: Sind Sie sicher, dass Sie das wollen? Ich glaube, er sagte das, weil wir ethnisch-gemischt angekreuzt hatten.

Warum haben Sie das gemacht?

Weil wir dachten, da ist die Not am größten. Da wurden die meisten Adoptiveltern gesucht.

Wie lange haben Sie dann gewartet?

Nicht lange. Zuerst drehte ich „X-Men“ …

... der Film wurde ein weltweiter Kinohit, Sie stiegen zu einem der bestbezahlten Schauspieler Hollywoods auf …

… aber das Wichtigste war, vier Monate nach Drehschluss, im Frühjahr 2000, bekamen wir Oscar. Kurz nach seiner Geburt. Vom Tag an, als er zu uns kam, vergaßen wir, dass er adoptiert war. Dasselbe passierte mit unserer Tochter fünf Jahre später.

Ihr Sohn ist schwarz. Angelina Jolie, Brad Pitt und Madonna machten Schlagzeilen, indem sie Kinder aus anderen Kulturkreisen adoptierten.

Ich bitte Sie, Sie haben doch auch Kinder …

Nein.

Nein? Nun gut, Eltern zu werden aus Gründen der Publicity, das funktioniert nicht. Wenn es so einen Menschen wirklich geben würde, dann wäre er wahrhaft verblendet. Ein Elternteil zu sein, ist die größte Rolle, die man in seinem Leben spielen kann. Ich habe noch nie jemanden kennengelernt, der ein Kind aus Imagegründen adoptiert hat.

Lesen Sie auf der nächsten Seite, warum sich Jackmans Sohn manchmal für seinen Vater schämt.

Was machen Sie in der Erziehung der Kinder anders als biologische Eltern?

Wir erzählen beiden Kindern eine Menge über ihre biologischen Eltern. Sie müssen wissen, woher sie kommen.

In welchem Alter?

Bevor sie anfangen können zu sprechen. Wir sagen: Wir sind deine Mutter und dein Vater, du hast noch eine Geburtsmutter und einen Geburtsvater, es war deine Bestimmung, mit uns zusammen zu sein. Früh lesen wir ihnen Bücher vor, zum Beispiel „Tell Me Again About The Night I Was Born“ von Jamie Lee Curtis, ein Kinderbuch über ein adoptiertes kleines Mädchen. Bei Oscar achten wir in der Schule darauf, dass die Lehrer den Begriff Familie so verwenden, dass er sich nicht ausgeschlossen fühlt. Eine Familie ist nicht gleich Mutter, Vater und ihr geborenes Kind. Er soll nicht diskriminiert werden, genauso wenig wie Kinder von homosexuellen oder alleinstehenden Eltern.

Stehen Sie in Kontakt mit den biologischen Eltern?

Das kann ich Ihnen nicht sagen, aus juristischen Gründen. Weil die biologischen Eltern und die Kinder gewisse Rechte haben.

Ihr Sohn ist nun elf. Etwas müssen Sie in der Erziehung richtig gemacht haben: Er kann Paparazzi nicht leiden.

Was mir hingegen Sorgen macht: Meine Tochter liebt sie. Letztes Jahr habe ich eine kleine Tour durch ein paar Theater in den USA und Kanada gemacht. Nach der Vorstellung ging zuerst meine Frau mit den Kindern hinaus, stieg ins Auto, ich kam nach, gab Autogramme, oft kletterte dann meine Tochter aus dem Wagen, klammerte sich an mein Bein und ließ sich bereitwillig fotografieren.

Warum macht Ihr Sohn das nicht mit?

Als er drei Jahre alt war, kamen wir einmal zusammen aus dem Theater. Die Fotografen schossen ihre Bilder, die Blitzlichter machten ihn so verrückt, dass er nur noch schrie: Stopp! Stopp! Seitdem hasst er Paparazzi.

Sind Sie ihm manchmal peinlich?

Ja, zum Beispiel, wenn ich singe. Auf meiner Tour tue ich das ja, ich habe vor der Filmarbeit in Musicals gespielt. Am Ende der Vorstellung ging ich immer zu meiner Frau in den Zuschauerraum und sang ihr „Just The Way You Look Tonight“ vor. Das fand Oscar natürlich peinlich. Na ja, als Sohn hätte ich das als genauso schrecklich empfunden.

Haben Sie Angst vor dem Moment, wenn er Ihnen eines Tages die Worte ins Gesicht schleudert: „Du bist nicht mein Vater“?

Nein, ich erwarte, dass das passiert. Jedes Kind will im Teenageralter seine Frustration an den Eltern abreagieren. Es würde mich verletzen, wenn er sagen würde: „Du bist der schlechteste Vater der Welt!“ Oder wie in meinem neuen Film der enttäuschte Sohn zu seinem Vater sagt: „Ich wollte doch nur, dass du für mich kämpfst.“ Mit so einem Satz würde er mir einen Dolch ins Herz stoßen.

Bei aller Rücksicht müssen Sie auch Strenge beweisen.

Besonders wenn es um Respekt gegenüber anderen Menschen geht. Wir wohnen in New York in einem Apartmentblock mit einem Portier. Wenn mein Sohn ihn nicht grüßt, muss er mit mir zu Fuß die Treppen hochsteigen bis zur neunten Etage.

Das passiert öfter?

Wir sind schon etwa 50 Mal zu Fuß gegangen.

Und wie geht Ihr Vater mit seinen Enkeln um?

Ganz wunderbar. Für ihn war ein schwarzer Junge nie ein Problem. Ich glaube, er hat mir nur einmal einen Rat gegeben.

Was hat er gesagt?

Du lobst deine Kinder zu viel. Das ist ihm zu modern. Er sagte, wenn deine Kinder etwas tun, was du sowieso von ihnen erwartest, dann sag ihnen nicht, wie fantastisch sie seien.

Das, was er bei Ihnen zu wenig gemacht hat, tun Sie nun zu viel?

Ah. Danke für die Therapiesitzung.

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