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Joachim Trier, Filmregisseur.

© Steffen Oftedal / Motlys AS

Interview mit dem "Louder Than Bombs"-Regisseur Joachim Trier: „Beim Drehen bin ich Enthusiast“

Der Norweger Joachim Trier ist der derzeit wichtigste Filmregisseur seines Landes. Ein Gespräch über Chaos, Clips, Comics und seinen berühmten Nachnamensvetter - anlässlich seines neuen Films "Louder Than Bombs".

Herr Trier, Ihr Ruf unter Kritikern hierzulande gründet vor allem auf Ihrem rasanten Debüt „Auf Anfang: Reprise“. Es wurde 2007 enthusiastisch aufgenommen.
Enthusiasmus ist der Kraftstoff, der einen voranbringt. Klar mag ich Bücher, Filme, intellektuelle Gespräche, aber im Schaffensprozess bin ich selber ein Enthusiast. Mein Debüt drehte ich mit Freunden, wir waren naiv, neugierig, scheu. Wir dachten, der Film wird nur in unserer norwegischen Heimat wahrgenommen. Und dann wurde er überallhin verkauft, und in den USA wollten sie gleich, dass ich amerikanische Filme drehe.

Nun haben Sie das mit „Louder Than Bombs“ wahr gemacht. Der Film funktioniert mit seiner puzzleartigen Erzählweise vor allem intellektuell.
Ich glaube an die Dialektik zwischen Handwerk und Spontaneität, zwischen Kontrolle und Chaos. Das ist wie bei den Schauspielern, die lernen und lernen ihren Text, und dann heißt es einfach: mach los, tu's. Ich mag komplizierte Strukturen, aber gleichzeitig fasziniert es mich, am Set Unvorhergesehenes einzubauen. Ich bin mit intellektuellen Filmen aufgewachsen, mit Truffaut, Bergman, Tarkowski, aber auch anderes hat mich immer angezogen: Gangster-Movies, auch Brian de Palma.

Was haben Sie gerade von ihm gelernt?
Die Leidenschaft fürs Kino. „Dressed to Kill“ ist in vielem kindisch, brutal, vulgär, eröffnet aber alle Möglichkeiten des Filmemachens. Oder denken Sie an die Splitscreens in „Blow Out“: eine Spielerei, aber das ist Kino. Natürlich erzähle ich selber keine Killergeschichten, aber immer will ich, mein Hitchcock-Prinzip, den spezifischen Moment erschaffen.

Ein Beispiel aus „Louder Than Bombs“?
Conrad, der jüngere Sohn der Familie, führt ein chaotisches Tagebuch. Wie dafür Bilder und Stimme finden, wie eine Szene montieren über einen 15-Jährigen, der sich ohne Zensur ausdrückt? Oder sein Vater, der als Witwer eine Frau kennenlernt: wunderbar aufregend, seine Selbstironie in die Annäherung zu integrieren. Wir müssen über uns lachen können, selbst in der Trauer.

Die schnellen Schnitte in Ihren Filmen erinnern an Clips. Färbt da Ihre Erfahrung mit Werbedrehs ab?
Ja und nein. Ich komme aus einer Filmfamilie, mein Großvater war Regisseur, mein Vater arbeitete ebenfalls beim Film. Mit ihm habe ich schon als Kind Trickfilme auf Super-8 gedreht. Später kamen Skateboard-Videos mit Freunden dazu, Video war da noch ganz unüblich. Und ich bin mit Comic-Alben aufgewachsen – faszinierend, wie die Bildfolgen miteinander kommunizieren. Auf der Filmschule dann in London beschäftigte ich mich viel mit Schnitt, mit Eisenstein und Chris Marker. Wohl auch deshalb wurden mir eine Zeitlang Clipdrehs angeboten. Man lernt da, wie man eine Erzählung extrem verdichtet, auch viel pures Handwerk, an total verschiedenen Sets. Selten kommen Spielfilmregisseure ja so intensiv zum Drehen, Autoren dagegen können jeden Tag schreiben. Inzwischen packe ich alle meine Bilder in Spielfilme, und es sieht so aus, als könnte ich nun davon leben.

Zu Ihrer Filmfamilie nur dies noch, Sie werden das sicher häufiger gefragt ...
... Lars von Trier!

Sie sollen verwandt sein.
Die Wahrheit ist, ich weiß es nicht genau. Wir haben denselben Urgroßvater. Aber Lars von Trier erzählt, seine Mutter habe ihm auf dem Totenbett gesagt, er sei gar nicht das Kind seines offiziellen Vaters. Also sind wir biologisch nicht verwandt, wohl aber kulturell. Ich mag seine Filme!
Haben Sie sich kennengelernt?
In der Filmschule ging ich mal sehr nervös zu ihm und sagte, ich bin ein großer Fan. Seitdem hab ich ihn nicht mehr gesehen. Vielleicht ignoriert er mich nun so, wie Bergman ihn ignorierte (lacht).

Und dann sind Sie auch noch alle beide in Dänemark geboren.
Mein Vater ist Däne, er zog nach Oslo, als ich noch sehr klein war. Ich selber habe inzwischen sieben Jahre in London gelebt und zuletzt drei Jahre in New York. Ich bin ein totaler Stadtmensch, vielleicht erklärt das den urbanen Touch meiner Filme mit ihren Mittelklasse-Großstadtmenschen. In allen Filmen beschäftige ich mich mit der Verletzlichkeit des Individuums, seinen inneren, existenziellen Kämpfen. Das treibt mich um.

Und nun dieser Sprung zum globalisierten Starkino in englischer Sprache!
„Louder Than Bombs“ ist ja nicht gerade ein Studiofilm. Amerikanische Geldgeber nennen das ein „prestige drama“ ...

... klingt schwer nach Vintage ...
... ja, wie eine uralte Couch, in der man versinkt! Wir haben den Film dann mit europäischem und amerikanischem Geld finanziert. Für einen reinen US-Film brauchst du Stars, dann kommt das Geld von selbst. Ich aber wollte mit großen Schauspielern drehen. Natürlich sind auch Isabelle Huppert, Gabriel Byrne und Jesse Eisenberg Stars, aber vor allem Künstler, die Figuren entwickeln wollen.

Alle Ihre Filme schreiben Sie zusammen mit Eskil Vogt. Wie haben Sie sich kennengelernt?
Mit 19, da jobbten wir als Kabelträger bei Game-Shows im norwegischen Fernsehen. Eskil ist ein Filmfreak, so wurden wir Freunde. Er wusste nur nicht, wie die Tür zum Film aufzustoßen wäre, da konnte ich mit meinem Hintergrund helfen. Als ich dann nach London ging, zog er nach Paris ...

... in Ihrem Erstling, einer Geschichte über Freundschaft, Liebe und überwundene Rivalität, spielt Paris eine wichtige Rolle.
Gerade indem wir „Auf Anfang: Reprise“ gemeinsam erschufen, haben wir unsere Rivalität überwunden. Heute teilen wir Erfolge und Rückschläge miteinander. Wenn es mal nicht vorangeht beim Drehbuchschreiben, reden wir einfach eine Stunde lang über Paul Mazursky oder Brian de Palma. Dann geht’s wieder.

Das Gespräch führte Jan Schulz-Ojala.

Joachim Trier (41) ist der bedeutendste und erfolgreichste Filmemacher Norwegens. Seine bisherigen Werke: „Auf Anfang: Reprise“ (2006) und „Oslo, 31. August“ (2011).

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