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Interview: One-Way-Trip

"Heavy Metal in Baghdad“: Suroosh Alvi im Film-Gespräch.

Herr Alvi, Sie und Eddy Moretti sind nicht als Journalist, sondern privat in den Irak gereist. Wie geht das überhaupt?

Wir fanden einen Flug von Frankfurt in die kurdische Stadt Arbil. Der Flug geht einmal in der Woche und man kann nur One-Way-Tickets buchen. Von dort nahmen wir ein Flugzeug nach Bagdad. Wir hatten einen Sicherheitsdienst angemietet, der fuhr uns ins Hotel „Al Mansour“. Dort bringen Agenturen ihre Berichterstatter unter, hieß es. Aber es war wie verlassen.

Wer berichtet dann aus Bagdad?

Die Iraker selbst. Das funktioniert so: für CNN beispielsweise gibt es einen Mann vor Ort. Der verlässt allerdings nie das sichere CNN-Gelände. Wenn etwas passiert, werden irakische Teams geschickt. Die bringen dann die Bilder zurück und der CNN-Mann spricht vor einem blue screen den Kommentar. Niemand traut sich in die Stadt.

Sie gingen dennoch in die Wohnviertel?

Wir mussten unsere Sicherheitsleute lange überreden, aber ich wollte unbedingt den ausgebombten Probenraum der Band finden. Wir haben vom Auto aus gefilmt, man hätte uns sonst getötet oder entführt. Die kurze Szene im Film, als wir auf der Straße stehen, war das einzige Mal, das wir tatsächlich einen Fuß auf eine Straße im irakischen Wohnviertel setzten.

Hatten Sie Angst?

Eine Höllenangst. Juli 2006 war der schlechteste Zeitpunkt, um dorthin zu fahren. Die zweite „Schlacht um Bagdad“, wie es die Amerikaner nannten, war gerade voll im Gange.

Kann man da nachts überhaupt schlafen?

Wir mussten wegen der Ausgangssperre um 21 Uhr im Hotel sein. Es war surreal: Man sitzt auf dem Balkon und blickt in die Stadt, dann wird der Strom abgeschaltet und plötzlich sieht man nichts als die schwarze Nacht und Explosionen in der Ferne. Man gewöhnt sich an die Angst. Aber als ich zurück war, habe ich für jeden Tag in Bagdad drei Tage hier gebraucht, um mich zu erholen.

Wie geht es der Band Acrassicauda heute?

Am Ende unseres Films leben sie als Flüchtlinge in Damaskus. Das war trostlos. Es gibt ein Flüchtlingsproblem in Syrien, weil so viele Iraker in das Land kommen. Syrien schickt sie jetzt einfach wieder zurück. Für Acrassicauda geht das nicht. Nachdem sie das Land verlassen hatten, war Material aus unserem Film ins Internet gelangt. Die Band wurde im Irak bekannt, aber nicht beliebt. Sie erhalten Emails mit Todesdrohungen aus dem Irak: kommt nur zurück, wir kümmern uns um euch! Wir haben Geld gesammelt und die Jungs in die Türkei geflogen, das einzige Land, in das man als Iraker ohne Visum einreisen kann.

Sie sind Mitbegründer des Lifestyle-Magazins „VICE“. Wie kommt es, dass Sie einen derart politischen Film machen?

VICE hat sich zwar manchmal zu sehr in Mode-, Party- und Lifestyle-Themen verfangen. Aber politisch waren wir schon immer. Wir hatten allerdings auch nicht vor, einen Langfilm zu machen. Der Regisseur Spike Jonze („Adaption“) brachte uns vor einiger Zeit auf die Idee, unsere Magazin-Geschichten auch zu filmen. Wir wollten nur einige Minuten in Baghdad drehen für unseren „VICE Guide to Travel“, aber dann gewann diese Geschichte immer mehr Tiefe. Das Schöne an dem Film ist ja, dass er zufällig entstanden ist. Spike hat sich dann mit uns hingesetzt und uns gezeigt, wie man einen Film schneidet.

Für den „Guide to Travel“ haben sie auch den größten illegalen Waffenmarkt der Welt in Pakistan besucht.

Meine Mutter hat das arrangiert. Sie ist Professorin für Islamwissenschaften in Montreal, stammt aber aus Pakistan und hat gute Kontakte. Es kam mir nicht sehr gefährlich vor. Inzwischen dürfen Journalisten aber nicht mehr dorthin. Der Markt ist jetzt in den Händen von Al-Qaida.

Ihre Dokumentationen sind sehr subjektiv, es sieht so aus, als hätten sie richtig Spaß.

Es ist eine Mischung aus „60 Minutes“ und „Jackass“. In den USA schaut sich kein Mensch unter 50 noch die Nachrichten an. Mit dem, was wir auf unserer Website vbs.tv machen, wollen wir diese Leute erreichen. Als nächstes gibt es einen Report aus den Studios in Nordkorea.

Das Gespräch führte Sebastian Handke. Der Film läuft noch einmal am 16. 2., 20 Uhr (Cinestar 7)

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