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Kultur: Interview: Tangos aus Helsinki

Festivalleiter Nils Landgrebe will beweisen, dass aus Skandinavien nicht nur Saabs und Wahlfänger kommen. Der 1956 geborene Posaunist arbeitete mit ABBA und Herbie Hancock, bevor er seine Band Funk Unit gründete.

Festivalleiter Nils Landgrebe will beweisen, dass aus Skandinavien nicht nur Saabs und Wahlfänger kommen. Der 1956 geborene Posaunist arbeitete mit ABBA und Herbie Hancock, bevor er seine Band Funk Unit gründete.

Das Jazzfest ist in den vergangenen Jahren immer stärker in die Kritik geraten, die Struktur galt als muffig und überlebt. Sie sind der neue Jazzfestmacher, Herr Landgren, doch eigentlich sind Sie immer auf Tour. Hatten Sie Zeit, sich an die Bedingungen anzupassen?

Es gab Anlaufschwierigkeiten und hat ein wenig gedauert, bis jeder kapierte, dass ich der Neue bin. Später kam hinzu, dass wir Probleme mit dem Budget bekamen. Ich spreche jetzt nur von den Künstlergagen, die knapp die Hälfte des gesamten Jazzfest-Etats ausmachen. Von diesen 580 000 Mark wurden 50 000 gekürzt, das war eine empfindliche Streichung. Dass die andere Hälfte eines solchen Festivaletats in die Verwaltung geht, davon wusste ich vorher nichts. Ich hatte anfangs angenommen, dass ich wesentlich mehr Geld zur Verfügung haben würde. Aber zum Glück konnte ich in letzter Minute die skandinavischen Kulturräte und Musikinstitutionen dazu bewegen, fast die gesamten Reisekosten der Musiker zu übernehmen. Das verschaffte uns etwas Luft. So gelang es mir auch, mein Programm wie gewünscht umzusetzen.

Die Einflussnahme der ARD auf das Jazzfest-Programm war früher öfters Gegenstand der Kritik. Konnten Sie walten, wie Sie wollten?

Ich habe keine Probleme mit der ARD gehabt. Soweit ich sehe, haben die mein Programm unterstützt. Die ARD ist ja mit 180 000 DM auch ein gewichtiger Geldgeber für das Jazzfest. Berlin macht ja eigentlich ein ARD-Jazzfestival. Trotzdem habe ich mich nicht daran gewöhnen können, wie hier gearbeitet wird. Für meinen Geschmack geht alles ein bisschen sehr langsam. Aber mein Team vom Jazzfest-Büro hat Tag und Nacht für mich und meine Ideen gearbeitet, und das war bestimmt nicht einfach. Ich meine, da kommt so ein Typ aus Schweden vorbei, der halb Skandinavien nach Berlin einladen möchte. Obwohl dieser musikalische Schwerpunkt ja vor allem auf einen Auftrag des neuen Intendanten der Berliner Festspiele, Dr. Sartorius, zurückging, habe ich das sehr ernst genommen.

Jazz in Berlin kennt viele Unbekannte. Die schwierigste Frage lautet: Wo befindet sich gerade das Publikum?

Es gibt Publikum in dieser Stadt, aber das ist immer gerade irgendwo anders. In das neue Festspielhaus passen 1000 Besucher und in den Tränenpalast 900. Ich kann die Leute nur mir meinem Programm locken und der damit verbundenen Aussicht, dass man beim diesjährigen Jazzfest Musiker und Klänge entdecken kann, von denen man gar nicht ahnte, dass sie existieren. Es gibt in Berlin so eine schnelllebige Neugier, man weiß vorher nur nie, in welche Richtung die geht.

Ihr Festival ist vor allem ein Treffen von Nonames, die sehr motiviert zu sein scheinen.

Es ist vor allem die Vielfalt der skandinavischen Musik, die bei diesem Festival zu entdecken ist. Neben Esbjörn Svensson, Nils Petter Molvaer und Bugge Wesseltoft, die hier ja bereits bekannt sind, kommen auch Bands wie Gjallarhorn aus Finnland oder Freefot aus Schweden, die beide eine sehr folkloristisch geprägte Musik machen. Jukka Perko spielt Tangos aus Helsinki, ein Genre, das dort oben manchmal ernster genommen wird als die Regierung. Finnischer Tango ist weder Kunstmusik wie der argentinische, noch Suizid-Soundtrack. Der amerikanische Trompeter Tim Hagans kommt mit der Drum & Bass Big Band Norbotten aus Schweden ins Haus der Festspiele, der schwedische Trompeter Goran Kajfes knüpft an den Miles Davis der siebziger Jahre an. Ja, es stimmt: Die meisten Musiker des Festivals hat man hier noch nie gehört.

Wo sind die Masterminds der skandinavischen Szene?

Jan Garbarek konnte leider nicht kommen, da er eine eigene Tour geplant hatte. Garbarek ist ja der norwegische Nationalmusiker, aber er ist auch ein deutsches Phänomen. Er repräsentiert das, was wir "Fjord Jazz" nennen. Im Vergleich zu Island, Finnland und Schweden ist der Jazz in Norwegen und Dänemark sehr anerkannt. Ich wollte mich aber nicht nur auf Skandinavien beschränken. So kommt der große Schlagzeuger Max Roach ins Programm, Albert Mangelsdorff habe ich als Ehrengast eingeladen, er hat für den deutschen Jazz in den vergangenen 40 Jahren mehr getan als jeder andere, und der junge, unkonventionelle Trompeter Roy Hargrove, der das Festival am Sonntagabend im Quasimodo beschließt, ist für mich der wichtigste Musiker der aktuellen Szene, was die Lust am Spielen betrifft.

Werden Sie Ihren Nachfolger John Corbett, der sich im nächsten Jahr des Themas Chicago annehmen soll, einarbeiten?

Das glaube ich nicht. Nach dem Festival erhole ich mich ein paar Tage, und dann geht es wieder auf Tour.

Das Jazzfest ist in den vergangenen Jahren immer s

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