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Foto: SWR/Conny Fischer

© SWR/Conny Fischer/Hörverlag

Interview zum Bloomsday: Der Hörspieler

Der Schauspieler Dietmar Bär über seine Mitarbeit am "Ulysses"-Projekt, die Zusammenarbeit mit Regisseur Klaus Buhlert - und das Verzehren innerer Organe.

Dietmar Bär, 51, liest im "Ulysses"-Hörspiel den Leopold Bloom. Bär spielt seit 1997 den „Tatort“-Kommissar Freddy Schenk. In den Drehpausen arbeitet der gebürtige Dortmunder am Theater und fürs Radio und liest Hörbücher ein.

Herr Bär, was ist schwerer, im „Tatort“ den Mörder zu finden oder sich durch den „Ulysses“ zu kämpfen?

Das sind zwei völlig verschiedene paar Schuhe. Beides ist sehr komplex und lässt sich nur schwer vergleichen.

Viele Leute kennen Sie als Kommissar, jetzt haben Sie mit „Ulysses“ einen Klassiker der Weltliteratur als Hörspiel aufgenommen. Warum?

Ich glaube, „Ulysses“ zu lesen ist für jeden anstrengend. Aber genau das ist der Ansatz unseres Hörspiels. Wir wollen das Unlesbare erlebbar machen.

Erinnern Sie sich noch an den Moment, als Sie das erste Mal von „Ulysses“ hörten?

Als Schüler wusste ich, dass es eines der wichtigsten Bücher ist, die man gelesen haben muss. Im Deutsch-Leistungskurs gab uns der Lehrer einen Literaturkanon. Da stand neben Robert Musils „Mann ohne Eigenschaft“ auch „Ulysses“ drauf.

Der Stoff gilt als einer der komplexesten der Weltliteratur. Haben Sie den schon als Schüler durchgearbeitet?

Nein. Ich habe das Buch erst jetzt, parallel zu den Aufnahmen für das Hörspiel gelesen. Das Buch ist sehr facettenreich. In manchen Kapiteln kann man schmökern und in anderen am Abend nur zehn oder zwanzig Seiten lesen. Das ist teilweise Hochleistungsliteratur.

Und wie kann die in ein Hörspielformat gepackt werden?

Wir haben den Text immer wieder durchgearbeitet. Es dauerte sehr lange, bis wir mal etwas aufgenommen haben. Im Vergleich zu meiner Arbeit für andere Hörbücher war es eine völlig andere Herangehensweise. Zum Glück konnten wir den Regisseur Klaus Buhlert als Universal-Lexikon alles zu „Ulysses“ fragen. Das war eine große Sicherheit, weil man als Schauspieler natürlich unglaublich unsicher ist, wenn man versucht, sich an diesen Text ranzumachen.

Sie leihen dem Protagonisten Leopold Bloom Ihre Stimme. Über die Aufnahmen sagten Sie: „Es ist als wenn man bei jemandem mit im Kopf sitzt, der laut über sich nachdenkt“. Wie nah kommen Sie der Figur?
 Ich nähere mich ihm genauso leidenschaftsvoll wie jeder anderen Figur. Natürlich bietet ein innerer Monolog, in dem Bloom spricht, ganz andere Möglichkeiten als ein gewöhnlicher Dialog. In dem Kontext des Stückes, Dublin im Jahr 1904, ist das natürlich besonders interessant.

Bloom aß am liebsten die inneren Organe von Vieh und Rind. Eine Leidenschaft, die Sie als Gourmet mit der Figur teilen?

Das sind sehr kostbare Lebensmittel. Nicht umsonst wurden sie früher gerne gegessen. Teilweise kann ich es nachvollziehen, bei der Niere hört’s für mich dann auf.

Sie haben in der Vergangenheit bereits Bücher von Hakan Nesser und David Foster Wallace eingesprochen. Bevorzugen Sie Bücher oder Hörbücher?

Auf langen Autofahrten nehme ich oft ein Hörbuch mit. Wenn ich aber weiß, dass es sich um eine gekürzte Fassung handelt, greife ich zum Buch.

Und was liegt im Moment auf Ihrem Nachttisch?

Bis vor kurzem noch eine Gerhart-Hauptmann-Biografie. Weil ich in Bochum ein Stück von ihm spiele. Jetzt liegt da das Manuskript des fünften und leider letzten Barbarotti-Romans von Hakan Nesser.

Sie lesen vor allem für die Arbeit?

Ich bemühe mich immer, dass etwas Freizeitlektüre dazukommt. Im Moment beschränkt sich die aber wegen der Europameisterschaft auf die Sport-Seiten der einschlägigen Tageszeitungen. Ich gucke aber auch gelegentlich in eine Sammlung deutscher Lyrik. Ich mag Eichendorff sehr gerne.

Und „Ulysses“? Haben Sie jetzt eine besondere Beziehung zu dem Buch?

Eine besondere Beziehung insofern, als dass ich das Buch noch einmal lesen — oder ich würde eher sagen — durcharbeiten will. Es ist ein kleines Universum.

Das sich in Dublin befindet. Waren Sie schon einmal dort, Herr Bär?

Bisher noch nicht.

Müssen Sie das jetzt nachholen?

Mich interessierte die Insel schon früher. Jetzt habe ich natürlich einen anderen Bezug zu ihr. Wie ich gehört habe, kann man mit den entsprechenden Unterlagen alle Schauplätze ablaufen. An jeder Ecke der Stadt trifft man auf dieses Buch, den Autor und die Figuren.

Kann man Sie demnächst mit einer Mappe „Ulysses“-Unterlagen und einer Stadtkarte in der Hand in Dublin treffen?

Ich würde mir das unglaublich gerne wünschen, aber ich habe wahnsinnig viel an den Hacken. Zumindest dieses Jahr wird daraus wohl nix.

- Das Gespräch führte Nico Schmidt.

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