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Kultur: Interview

TAGESSPIEGEL: Leben Sie gesund?EMPIRE: Ich trinke keinen Alkohol und nehme keine Drogen.

TAGESSPIEGEL: Leben Sie gesund?

EMPIRE: Ich trinke keinen Alkohol und nehme keine Drogen.

TAGESSPIEGEL: Tatsächlich? Wie halten Sie dann die depressive Stimmung ihrer Musik aus?

EMPIRE: Ich dachte, sie ist eher euphorisch.Manche Platten haben vielleicht eine depressive Wirkung.Aber wenn man sich so fühlt, muß man sich mit dem Problem konfrontieren.

TAGESSPIEGEL: Sind Sie ein Workaholic?

EMPIRE: Ich mache sehr viel.Das ist wahr.Wer keine kommerziellen Kompromisse eingehen will, muß viel tun, um eine ähnliche Wirkung zu erzielen.

TAGESSPIEGEL: Welchen Stellenwert nimmt die Band "Atari Teenage Riot" in ihrem Schaffen ein?

EMPIRE: Als ich begann, Technoplatten aufzulegen und zu produzieren, vermißte ich schnell die Kommunikation mit anderen Leuten.Kreativität, die entsteht, wenn unterschiedliche Künstler sich in einer Band zusammentun, kam mir viel interessanter vor, als wenn ich alleine gearbeitet hätte.Ich brauche diese Einsamkeit zwar auch, als Gegenpol, aber über alles die Kontrolle zu besitzen, ist auf Dauer langweilig.Manchmal ärgert es mich natürlich auch, wenn ich bei Atari Teenage Riot nicht alles durchsetzen kann.Aber ich merke, daß plötzlich etwas entsteht, daß ich viel besser finde.

TAGESSPIEGEL: Setzt sich in der Band durch Nic Endo das Weibliche durch?

EMPIRE: Jetzt ist es fairer.Bei Konflikten stehen zwei gegen zwei, wir müssen zu einer Lösung kommen, die weniger von Egoismen geprägt ist.Wir sind extreme Charaktere und es kann ziemlich hart zugehen.Aber daraus entsteht Energie.Das ist in Ordnung.

TAGESSPIEGEL: Die neue CD von "Atari Teenage Riot" klingt überraschend aggressiv.

EMPIRE: Sie ist zwar härter als unsere bisherigen Alben, aber auch optimistischer.Wir glauben nämlich, die Leute mitreißen zu können.Das Motto von Atari Teenage Riot lautet: "Riot sounds produce riots." Wir wollen eine Musik schaffen, die Momente aus anderen Genres aufgreift und verbindet, und zwar solche Momente, die eine revolutionäre Energie besitzen.Das Konzert von Otis Redding beim Monterey Festival hat uns stark inspiriert.Redding spielte in Monterey vor einem ausschließlich weißen Publikum, was für ihn sehr ungewöhnlich war.Er gab wirklich alles.Die Leute saßen da, während er an seine Grenzen ging, um sie von einer Sache zu überzeuge, die ihnen fremd war.Das nennen wir revolutionäre Energie, weil sie die Grenzen durchbricht.Gefühle erzeugen Gedanken, bis sie an einem bestimmten Punkt in Aktion übergehen, Veränderung bewirken.Als wenn man Benzin ins Feuer kippen würde.Die Band versteht sich als eine Avantgarde, die solche Stimmungen erzeugen und politische Veränderungen provozieren kann.Obwohl der Kapitalismus versagt hat, denke ich, haben wir nicht als Menschen versagt.

TAGESSPIEGEL: Besteht nicht die Gefahr, daß diejenigen, die Ihre Musik hören und gut finden, gar nicht das Bedürfnis haben, die Welt zu verändern?

EMPIRE: Ich glaube, daß selbst jemand, der in einer Villa in Beverly Hills aufwächst und die tote Leere um sich herum empfindet, eine Berechtigung besitzt, revolutionäre Ziele zu verfolgen.Durch den Kosovo-Krieg besteht die Möglichkeit, daß sich wieder eine radikale Linke bilden kann.Weil es ja offensichtlich ist, daß der Marsch durch die Institutionen nicht funktioniert hat.Nichts anderes haben wir immer behauptet.

Atari Teenage Riot veröffentlichen heute ihre neue CD "60 Seconds Wipe Out".Alec EMPIRE wohnt in London und arbeitet derzeit in seinem Berliner Studio.Das Gespräch führte Kai Müller

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