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Kultur: Inzest, Gattenmord

Granny Weatherall ist sterbenskrank.Am Bett der 80jährigen versammelt sich die Familie, um Abschied zu nehmen.

Granny Weatherall ist sterbenskrank.Am Bett der 80jährigen versammelt sich die Familie, um Abschied zu nehmen.Nur: Abschiednehmen ist nicht die Sache der kauzigen alten Dame."The jilting of Granny Weatherall" nach einer Erzählung von Katherine Anne Porter ist einer von zwei Einaktern, mit denen die New Yorker Theatergruppe "deep ellum ensemble" im Theater "Friends of Italian Opera" ein Gastspiel gibt.

Von einem New Yorker Off-Theater, zumal noch mit Auszeichnungen des Fringe Festivals versehen, erwartet man vielleicht innovatives, modern-experimentelles Theater.Das deep ellum ensemble, ein Zusammenschluß von acht jungen Schauspielern aus Dallas, ist so gesehen eher Texas als New York: Es bietet ernsthaftes Ensemblespiel und aufrichtiges Einfühlungstheater.Was störend aufstößt, wenn sich die pathetische Kunst mit einem Jugendwerk wie Tennessee Williams "The Purification" verbindet.In der mexikanischen Saga von geschwisterlichem Inzest und Gattenmord können auch griechische Chormasken und Kirchenhymnen dem metaphernüberladenen Stück nicht jene monumentale Wucht verleihen, die Thema und Auftritt verheißen.Allein, das in "The Purification" nur angedeutete Wechselspiel zwischen Einzelfigur und Ensemble gewinnt in "The Jilting of Granny Weatherall" inszenatorischen Witz.Die sechs Ensemblemitglieder sind Gegenpol zur im Bett verharrenden Alten, sind im Wechsel Arzt, Krankenschwester, Priester, Kinder, Geliebter und Ehemann, Stimmen in Fieberträumen, Chor der Engel und Geister der Versuchung.Vor allem aber sind sie in ihrem ernsthaft-ungebrochenen Spiel Rahmen für eine großartig komische, eigenwillige Suzan Perry als Granny Weatherall.Etwas von ihrem Witz und ihrer Ironie wünschte man auch dem Ensemble.

Bis Sonntag, jeweils 20 Uhr.

CHRISTINA TILMANN

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