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Kultur: Irak: Er ist noch da

Gemeinsamkeit war ein wichtiges Stichwort beim ersten Treffen zwischen US-Präsident George W. Bush und dem britischen Premierminister Tony Blair.

Gemeinsamkeit war ein wichtiges Stichwort beim ersten Treffen zwischen US-Präsident George W. Bush und dem britischen Premierminister Tony Blair. In der Irak-Politik, das ist die eine Gemeinsamkeit, wolle man weiterhin hart gegen Saddam vorgehen. Und bei der Zahnpasta, das war die andere Gemeinsamkeit, sei man auf Kontinuität bedacht. "Wir verwenden beide Colgate-Zahnpasta", sagte ein gut gelaunter Bush spontan zu Journalisten auf die Frage nach gemeinsamen Hobbys oder Interessen. "Die werden sich jetzt wundern, woher du das weißt, George", fügte Blair hinzu. Der britische Premier habe eine Charmeoffensive gegen ihn gestartet, sagte Bush, dem selbst nachgesagt wird, dass er Menschen durch seine Art für sich gewinnen kann. "Und es hat funktioniert."

Anscheinend gilt dieses Urteil auch in der Irak-Politik. Beide Politiker stimmten darin überein, dass "Saddam Hussein nicht seine Nachbarn terrorisieren und Massenvernichtungswaffen entwickeln" dürfe, wie Bush sagte. Die Mittel, mit denen man verhindern will, dass dieses Szenario eintritt, deuten aber auf eine leichte Abweichung der bisherigen Position hin. Blair plädierte für eine Umorientierung in der Sanktionspolitik gegen Irak. Er betonte deshalb auch, der Kampf richte sich nicht gegen das irakische Volk, und die Alliierten müssten dafür sorgen, dass die Sanktionen Saddam direkt träfen. Details darüber, wie man dafür sorgen wolle, wurden indes nicht erläutert.

Bush und Blair verkauften die geplante Neuakzentuierung der Sanktionspolitik als einen gemeinsamen Vorschlag. Doch viele Amerika-Experten gehen davon aus, dass die britischen Vorschläge dem neuen US-Präsidenten helfen, aus dem eigenen Dilemma herauszukommen. Ein zwei Jahre alter Brief ist der mögliche Schlüssel zum Verständnis dieses Dilemmas der US-Politik im Konflikt mit Irak.

Alte Positionen

In dem Schreiben forderten Außenpolitik-Experten den damals amtierenden Präsidenten Clinton auf, härter gegen Saddam Hussein vorzugehen: Systematische Luftangriffe gegen die Republikanische Garde sowie die Anerkennung der führenden irakischen Widerstandsgruppe als provisorische Regierung und notfalls den Einsatz von Bodentruppen zur Unterstützung der Anti-Saddam-Kräfte.

Einige der Autoren des Briefes bekleiden heute hohe Ämter in der Regierung von George W. Bush, allen voran Verteidigungsminister Donald Rumsfeld. Wie radikal sie die damals geäußerten Forderungen noch vertreten, ist unklar. Sicher ist nur, dass die Autoren die Situation in Irak vor zwei Jahren mit großer Sorge beurteilt haben. Rumsfeld selbst gibt sich ausweichend, wenn er auf den Brief angesprochen wird. Er und andere Mitglieder des nationalen Sicherheitsteams hätten sich getroffen und über das Thema Irak gesprochen, sagte er im vergangenen Monat, ohne aber weitere Details zu nennen. Strittig ist bei den Beobachtern, ob Irak zurzeit im Besitz von Massenvernichtungswaffen ist. Während einige dafür keine Beweise sehen, war für die Autoren des Briefes schon vor zwei Jahren klar: Der Irak hat diese Waffen erworben, und Saddam Hussein ist bereit, sie wieder einzusetzen. An dieser bedenklichen Situation werde sich auch nichts ändern, solange die Politik nur auf Eindämmung bedacht sei und sich nur auf Sanktionen und Ermahnungen beschränke.

Streit um Politik der Eindämmung

Diese Sicht steht im scharfen Widerspruch zu der von US-Außenminister Colin Powell, dem ehemaligen Stabschef der US-Streitkräfte im Golfkrieg 1990. Powell verteidigt eine eher moderate Strategie. "Eindämmung ist eine erfolgreiche Politik", sagte er kürzlich bei einer Pressekonferenz. Die Streitkräfte des Irak verfügten verglichen mit ihrem Höchststand nur noch über ein Drittel ihrer Stärke. Powell sprach sich außerdem für eine Aufrechterhaltung der UN-Sanktionen gegen Irak aus.

Der Rumsfeld-Gruppe waren diese Maßnahmen schon 1999 zu schwach. Neben Luftangriffen und dem Einsatz von Bodentruppen hatte sie gefordert, Bedingungen zu schaffen, unter denen eine provisorische Regierung in Irak ihren Einfluss auf Anti-Saddam-Gruppen im Norden und Süden des Landes stärken könne. Dazu hätte auch das eingefrorene irakische Vermögen (1,6 Milliarden Dollar allein in den USA und Großbritannien) eingesetzt werden sollen.

Nach den scharfen Reaktionen vieler Länder auf das Bombardement von Zielen in der Nähe von Bagdad in den letzten zehn Tagen ist es aber zweifelhaft, ob diese Politik internationale Unterstützung finden wird. Powell wird nach Ansicht von Beobachtern auf seiner Nahost-Reise, die er am Samstag begonnen hat, dafür werben, keine politischen Zugeständnisse an Irak zum machen. Aber er wird nicht versuchen, eine härtere Politik zu verkaufen.

Der Rumsfeld-Brief hatte vor zwei Jahren gewarnt, Saddam sei dabei, seine alte Macht und seinen Einfluss in der Region wieder zurückzugewinnen. Die einzige Möglichkeit, dies zu verhindern, sei es, sich den Hass vieler einfacher Iraker auf Saddam zu Nutzen zu machen. "Irak ist reif für eine Revolution, die von großen Teilen der Bevölkerung mitgetragen wird", hieß es in dem Brief. Diese Möglichkeit müsse man nutzen.

Benjamin Leonhardt

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