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Kultur: Iran, Israel, Mitte

Filmemacher mit Zeitwohnsitz: Stipendiaten der Berlinale Residency stellen sich im Arsenal vor.

Irgendwann an diesem kurzen, aber herzenswarmen Abend im Arsenal-Kino ist der Exil-Iraner Rafi Pitts vor lauter Augenblicksglück kaum mehr zu bremsen. „In meiner Heimat verstecken wir unsere Filmprojekte so lange wie möglich vor der Zensur“, sagt der Regisseur, der bereits mit „It’s Winter“ (2006) und „The Hunter“ (2010) im Berlinale-Wettbewerb vertreten war. „Hier teilen wir die Ideen mit anderen, bevor die Filme überhaupt entstehen.“

Womit der Kerngedanke des neuen Kreativzentrums namens Berlinale Residency schön getroffen wäre. Einmal jährlich lädt das Festival sechs junge, bereits mit bemerkenswerten Festivalauftritten hervorgetretene Regisseure für vier Monate ein, wo sie gemeinsam mit Mentoren an ihren neuen Drehbüchern feilen – der Aufenthalt wird gesponsert unter anderem vom Medienboard Berlin-Brandenburg und aus einem EU-Fördertopf. 1500 Euro hat jeder Stipendiat monatlich zur Verfügung, und anders als beim ähnlichen Nachwuchsfördermodell der Cinéfondation des Festivals von Cannes, wo alle Künstler gemeinsam in einer Pariser WG wohnen, sucht sich jeder seine Berliner Bleibe selbst.

Gar so bereitwillig breiten die Podiumsgäste ihre noch im sensiblen Frühstadium befindlichen Stories zwar nicht aus, aber Moderator Knut Elstermann weiß auch in fließendem Englisch die Zungen zu lösen. Rafi Pitts also wird in „Soy negro“ von einem Mexikaner erzählen, der in die USA will. Der Chilene Matías Bize („Sabado“ und „En la cama“) gesteht charmant, seine Filme drehten sich „immer um Paare, ich kann nichts anderes“ – und lässt sich immerhin einen autobiografischen Hintergrund für sein Script über ein Familiendrama entlocken.

Die Irin Rebecca Daly, zuletzt mit „The Other Side of Sleep“ in Cannes, hat ein ähnliches Projekt in petto, ebenso die Niederländerin Sacha Polak, die mit ihrem Debüt „Hemel“ im jüngsten Berlinale-Forum den Fipresci-Kritikerpreis gewann. Samuel Maoz (Goldener Venedig-Löwe 2009 für „Lebanon“) verspricht so schwungvoll wie abstrakt eine „surreale, immer wieder überraschende“ Story über einen jungen Soldaten, die Auskunftsbereitschaft des „Independencia“Regisseurs Raya Martin dagegen bewegt sich bewusst verspielt an der Nachweisgrenze. „Telepathie“ spiele eine Rolle, außerdem Mexiko und seine Heimat natürlich, die Philippinen. „Ich weiß noch nicht, wie es aussehen wird.“

Noch vor Weihnachten wollen die sechs, beim gemeinsamen Workshop, intern die Karten aufdecken. Dann wird es auch nicht mehr damit getan sein, vielstimmig die „Liebe und Freiheit“ versprühende Gastgeberstadt zu besingen oder die Chance, hier – ungeachtet mannigfaltiger Ablenkungen – besonders konzentriert zu arbeiten.

Die Residenten-Idee aber scheint zu taugen, und in das ganzheitliche, eines Tages womöglich auch der Berlinale selber dienliche Kreativförderprogramm von Talent Campus bis World Cinema Fund fügt sie sich ohnehin ein. Schöne Nebeneffekte inbegriffen: So scherzt Samuel Maoz mit Blick auf Rafi Pitts, Israel und Iran hätten hier ein bilaterales Abkommen geschlossen, „das erste seit den 70er Jahren“. Frieden schaffen mit immer mehr Residenten! Jan Schulz-Ojala

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