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Kultur: Ist Originalität notwendig?

Ein großer Teil der mittleren Künstlergeneration (von Rosemarie Trockel über Lothar Baumgarten bis Gary Hill) ist in Berliner Galerien nie als Premiere vorgestellt und daher nie eingehend vom Kunstpublikum diskutiert worden.Was sporadisch in zerstreuten Teilen zu sehen war, stand im Schatten von Ausstellungen, die anderswo gelaufen sind.

Ein großer Teil der mittleren Künstlergeneration (von Rosemarie Trockel über Lothar Baumgarten bis Gary Hill) ist in Berliner Galerien nie als Premiere vorgestellt und daher nie eingehend vom Kunstpublikum diskutiert worden.Was sporadisch in zerstreuten Teilen zu sehen war, stand im Schatten von Ausstellungen, die anderswo gelaufen sind.So ist es auch bei dem Karlsruher Künstler Klaus vom Bruch, der zur ersten Generation nach Nam June Paik und Dan Graham gehört, die sich mit der Technik und den Bildmöglichkeiten von Videos beschäftigte.Die jetzige Ausstellung ist die erste Konfrontation seines Werks mit dem Diskussionsstand einer Stadt, die in den letzten Jahren bis zum Überdruß mit Video-Arbeiten von jüngeren Künstlern konfrontiert wurde und mit der Schau von Pipilotti Rist im Hamburger Bahnhof einen einvernehmlichen Höhepunkt feierte.

Deshalb liegt es nahe, Bruchs Arbeit im Spiegel der Folgegeneration zu sehen.Und da zeigt es sich, daß es von der Sache her nichts nachzuholen gibt.Sein Bezugsfeld ist der populäre Kinofilm.Er hängt die Monitore an die Decke, um vorne das faszinierende Bild und hinten die ernüchternde Technik und Objekthaftigkeit des Geräts zu zeigen.Prinzipiell unterscheidet er sich nicht von anderen Video-Künstlern.Viele nehmen die zweite und dritte Realität als die erste und bearbeiten sie mit den Verfahren, die die Computer der Saison ermöglichen.

Kinofilme werden zu Readymades.Der Künstler appelliert an das kollektive Gedächtnis, indem er Sequenzen intensiviert und Momente zu Ikonen stilisiert.Und da, wo er einst seiner Zeit voraus gewesen zu sein schien, wirkt die Arbeit nun als doppelte Reminiszenz.Der Erste gewesen zu sein, ohne daß es alle wußten, ist wie ein Weltrekord im Sprint, den nur der Trainer sah.

Der Kunstbetrieb ist brutal.Nur im akademischen Bereich kann nachgeholt werden, was übergangen wurde.Aber wenn eine Diskussion während des Entstehens des Werks nicht an einem Ort geführt und zentralisiert worden ist, dann läßt sie sich nicht nachholen.Alles was Klaus vom Bruch im Bereich Video entwickelt hat, haben die youngsters perfektioniert.Verzichtet haben sie auf den Brechtschen Zeigefinger, der darauf hinweist, daß alles manipuliert ist und ein "falsches Bewußtsein" produziert.Interessant ist, daß bei vom Bruch die Farbgebung des bearbeiteten Films bereits Patina-Qualität besitzt, die sich als fremdartige Schönheit hinzufügt.Doch die Glaubwürdigkeit der Dokumente von Fiktionen ist begrenzt.Man weiß nicht, ob die Fiktion des Films Wahrheitsgehalt besitzt.Klaus vom Bruch nimmt dies als Voraussetzung, um aus dem riesigen Fundus Teile als Bildform (Loop, Still, Sequenz) zu bewahren, die bereits vorgegeben ist.Das Prinzip heißt: aus der Erzählung Bilder zu isolieren, um einen Höchstmaß an Bildintensität zu erzielen.

Für das Kunsturteil ist die Frage entscheidend, warum bei Andy Warhol ein x-beliebiges Bild zu einem erkennbaren Warhol wird, obwohl er selbst oft nicht einmal die Hand im Spiel hatte.Und warum eine manipulierte Sequenz zu einer erneut manipulierten Sequenz wird, wenn Klaus vom Bruch damit umgeht.Ist Originalität notwendig? Für die Wahrheitsfindung nicht; in der Kunst auf dem Markt durchaus.

Galerie Max Hetzler, bis 22.August, Zimmerstraße 89, Dienstag bis Sonnabend 11-18 Uhr.

PETER HERBSTREUTH

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