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Kultur: Italianità

Musikfest: Werke von Gesualdo im Radialsystem

Der legendäre Carlo Gesualdo war keine isolierte Erscheinung. Die faszinierenden chromatischen und enharmonischen Experimente, die der komponierende Fürst Ende des 16. Jahrhunderts unternahm und die wie Vorgriffe auf die Musiksprache des frühen 20. Jahrhunderts erscheinen, waren Teil einer ganzen Bewegung. Dass diese Erkenntnis keinesfalls ernüchternd wirken muss, beweisen das Gesualdo Consort Amsterdam und der Cembalist Pieter-Jan Belder im Radialsystem.

Auf Einladung des Musikfests Berlin präsentieren sie neben Werken ihres Namenspatrons auch Werke aus dessen Umfeld, die momentweise die Ausdruckskraft des Meisters erreichen. Doch so stark etwa die Tonballungen eines Antonio de Metrio auch wirken mögen: Was bei Gesualdos Zeitgenossen isolierter Effekt ist, wird bei ihm selber zum Bestandteil einer affektgesteigerten Musiksprache. Das Gesualdo Consort findet sich in diesem harmonischen Spiegelkabinett mit traumwandlerischer Sicherheit zurecht, wobei man sich von einem zunächst noch etwas protestantisch reservierten Ausdruck zu größerer Bildhaftigkeit im Ausdruck und Italianità in der Sprache steigert.

Was die reizvolle Idee betraf, die Musik Gesualdos auch auf der instrumentalen Ebene zu spiegeln, so blieb der Erkenntnisgewinn trotz Belders makellosem Spiel leider begrenzt, da es sich bei dem angekündigten „Cembalo cromatico“ nicht um eines jener Instrumente mit 19 Tönen pro Oktave handelte, mit denen Gesualdos progressive Zeitgenossen experimentierten, sondern um ein Cembalo mit den üblichen 12 Tönen pro Oktave.Carsten Niemann

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