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Ausstellungsraum der Uffizien

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Italiens neue Museumschefs: Das große Reinemachen

Es weht frischer Wind in Italiens Museenlandschaft. Das Land startet eine Revolution in den Spitzenmuseen des Landes und beruft neue Direktoren, darunter auch drei Deutsche.

Italien nennt sich gerne „il Belpaese“, das schöne Land. Es nimmt für sich in Anspruch, die meisten Kunstschätze der Erde zu besitzen, und in der Tat taucht kein Staat in der Weltkulturerbeliste der Unesco häufiger auf. Doch gerade über die Spitzenmuseen, über jene mit den allergrößten Schätzen, ist die Zeit hinweggegangen. „Leere Schachteln sind das, besetzt von ein paar alten Funktionären, die von Jahrzehnten schlechter Politik gedemütigt sind“, schreibt der neapolitanische Kunstprofessor Tommaso Montanari. Und in der Tageszeitung „Corriere della Sera“ rechnet Gian Antonio Stella als einer der unerbittlichsten Analytiker italienischer Verwaltungspraxis vor, dass die Reichtümer unterm Strich keine sind: „Das Metropolitan Museum in New York allein erzielt mit 350 Millionen Dollar im Jahr praktisch ebenso hohe Besucher- und Spendeneinnahmen wie unser gesamtes System aus Museen, archäologischen Stätten, Bibliotheken ...“

Das soll sich jetzt ändern. Kulturminister Dario Franceschini hat bei den Vorzeigemuseen des Landes eine wahre Revolution angezettelt. Dass sie einschneidend ist, darin sind sich Befürworter und Kritiker einig. Die Reform räumt zum einen mit dem Vorurteil auf, dass die größten italienischen Schätze nur von gebürtigen Italienern optimal gehütet werden können: In den Spitzenmuseen hat Franceschini nun sieben der 20 Direktorenposten mit Ausländern besetzt, darunter drei Deutsche und zwei Österreicher. So wurde der gebürtige Freiburger Eike Schmidt zum neuen Chef der Uffizien in Florenz bestellt, Cecilie Hollberg wechselt vom Städtischen Museum Braunschweig an die dortige Galeria dell’Accademia, der Archäologe Gabriel Zuchtriegel übernimmt den Tempelpark in Paestum. Peter Assmann, langjähriger Leiter des Museumsbunds Österreich, wird an die Spitze des Fürstenpalastes in Mantua berufen. Auch haben von den frisch berufenen Italienern vier ihre Karriere im Ausland gemacht.

Reform soll alte Ordnungen aufbrechen

Zum anderen trennt das vom Parlament einmütig beschlossene Reformgesetz nun erstmals Denkmalschutzbehörde und Museum. Die Präsentation der Kunst soll künftig denselben Stellenwert besitzen wie die Obhut der Meisterwerke und der antiken Relikte. „Valorisierung“ nennt sich das neue Prinzip, was man mit „etwas draus machen“ übersetzen könnte. Die Kritiker des Gesetzes meinen jedoch, die Kultur würde damit „geschlachtet“. Sie fürchten eine Invasion der Unterhaltungsindustrie unter dem Diktat der Gewinnmaximierung. Dabei wohne der italienischen Weltkunst doch der Auftrag inne, „die Plebs zu erziehen und in Bürger zu verwandeln“. So sagt es Antonio Paolucci, Chef der Vatikanischen Museen.

Auch die Unterstützer der Reform wählen drastische Worte. Der römische Chefarchäologe Andrea Carandini sieht die Gralshüter in den Denkmalschutzbehörden, „diese Kaste von Taliban und Anbetern des Heiligen Archivstücks“, endlich ihrer Allmacht beraubt. Auch Regierungschef Matteo Renzi, ehemals Bürgermeister der Kunststadt Florenz, spricht von einer „Priesterkaste“, mit hervorragenden Fachleuten, die jedoch taub seien „gegenüber der Idee, dass man mit Kunst auch Arbeitsplätze schaffen und die Attraktivität für Besucher erhöhen kann“.

„Alle sind Europäer“

In den staatlichen Kunstbetrieb hält nun also ein Typus Einzug, gegen den die Szene bisher allergisch war: der Manager. Das hatte schon Silvio Berlusconi versucht, als er 2008 ausgerechnet den Italien-Chef von McDonald’s zum obersten Museumskoordinator berief. Damit vergraulte er alle. Der heutige Kulturminister, Dario Franceschini betonte denn auch bei der Vorstellung der neuen Museumschefs, es handele sich um ausgewiesene Fachleute: „Von Coca Cola kommt keiner.“ Und den Sturm im Sommerloch, der sich ob der „Bevorzugung von Ausländern“ erhob, versuchte er mit den Worten zu besänftigen: „Alle sind Europäer.“

Zu den Spitzenmuseen gehören neben den Uffizien und der Accademia (mit Michelangelos David) der Bargello in Florenz, die Mailänder Brera-Pinakothek, das gewaltige Archäologische Nationalmuseum und das Capodimonte in Neapel, in Rom die Galleria Borghese (mit Bernini und Caravaggio), der barock bestückte Palazzo Barberini sowie das GNAM, die Nationalgalerie für moderne und zeitgenössische Kunst. Venedig ist dabei, auch Caserta, Urbino, Reggio Calabria und das entlegene Taranto mit der einzigen Spartaner-Stadt auf italienischem Boden.

Neu ist die Autonomie der Häuser. Sie sind nun selber für ihr Budget, die Eintrittsgelder und -zeiten, für Personal, Profil, Vermarktung und wissenschaftliche Forschung verantwortlich. An Geld mangelt es prinzipiell nicht; nur sollen die italien-üblichen Hindernisse beseitigt werden, es auch auszugeben. 2013 etwa blieben dem Denkmalschutz nur 600 Millionen Euro übrig, weil keine konkreten Projekte zustande kamen – aus Untätigkeit oder Verschleppung, wegen Mangel an Personal oder aus bürokratischen Gründen.

Italiens neue Museumschefs - eine Übersicht

Ausstellungsraum der Uffizien
Die Uffizien in Florenz, eine der bedeutendsten Gemäldegalerie Italiens, leitet nun ein Deutscher.

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Sobald die Direktoren ihr Amt angetreten haben, ihre jeweils vierköpfigen Verwaltungs- und Wissenschaftsräte gewählt sind, will der Kulturminister einen weiteren Missstand beheben. In Italiens Kulturtempeln sind die Gewinne privatisiert, die Verluste aber verstaatlicht, schon weil Ticketverkauf, Führungen, Café und Bookshop (sofern überhaupt vorhanden) an private Dienstleister ausgelagert sind. Das bedeutet zum Beispiel, dass der Staat zwar immense Summen für die Erhaltung des Kolosseums in Rom aufwenden muss, ihm aber nur 30 Prozent der Einnahmen zukommen. Nun soll der Staat bei den Ausschreibungen über eigene, wettbewerbsfähige Unternehmen mitbieten können.

Von den alten Direktoren, die bei mehr als 1200 Bewerbungen nicht mehr zum Zuge kamen, können einige ihren Ärger kaum verhehlen. Der renommierte 64-jährige Uffizien-Chef Antonio Natali, dem die Ochsentour der Bewerbungsgespräche nicht erspart blieb, muss nun dem 47-jährigen Eike Schmidt weichen. „Klar“, so Natali, „ein Land, das den Wechsel will, kann einen alten Direktor nicht auf seinem Platz lassen. Bitter wurde es nur, als ich merkte, dass alles nach einem Drehbuch ablief.“ Bitter ist es auch, weil Natali in seiner Spitzenfunktion seit neun Jahren für ein Nettogehalt zwischen 1600 und 1800 Euro gearbeitet hat. Sein Nachfolger soll nun drei Mal so viel bekommen, plus – bei Erfolg – 40 000 Euro Prämie pro Jahr. Allerdings muss Schmidt sich mit einem Vierjahresvertrag zufrieden geben. Die Zeiten lebenslanger Anstellungen – in der Regel ohne Ausschreibung und oft infolge politischer Mauschelei – sind in Italiens Museen vorbei.

Neue Direktoren in der Übersicht

Insgesamt sechs neue Direktoren treten ihr Amt an. Eine Übersicht.

Eike Schmidt  (47 ) wurde im August zum neuen Chef der Uffizien in Florenz berufen, der bedeutendsten Gemäldegalerie Italiens. Der gebürtige Freiburger leitet seit 2009 die Skulpturenabteilung des „Minneapolis Institute of Art“ (USA). Florenz kennt er von seiner Arbeit am dortigen Deutschen Kunsthistorischen Institut dort und von seiner Promotion über die „Das Elfenbein der Medici“.

Cecilie Hollberg (48) ist in Florenz die zweite Deutsche an der Spitze eines bedeutenden Kunsttempels. Geboren in Soltau (Lüneburger Heide), leitete sie seit 2010 das Städtische Museum Braunschweig und übernimmt künftig die Galleria dell’Accademia in Florenz, mit Michelangelos „David“ und dessen unvollendeten Statuen der „Prigioni“.

Gabriel Zuchtriegel (34), promovierter Archäologe, ist der jüngste unter den neuen Museumsleuten in Italien. Er übernimmt den Tempel-Park von Paestum (Kampanien). Zuchtriegel stammt aus Weingarten bei Ravensburg und lehrte bisher an der Universität der italienischen Region Basilicata.

Peter Aufreiter (40), gebürtig im österreichischen Linz und zuletzt Ausstellungs-Manager am Museum Belvedere in Wien übernimmt die Leitung des  Regionalmuseums der Marken in Urbino mit dem Fürstenpalast des Federico von Montefeltro.

Peter Assmann (61) aus Tirol wurde an die Spitze des Fürstenpalastes in Mantua berufen. Der Kunsthistoriker mit Florenz-Erfahrung leitete zehn Jahre den Museumsbund Österreich.

James Bradburne (59) aus Großbritannien und Sylvain Bellenger (60) aus Frankreich ergänzen die internationale Riege. Bradburne leitet seit neun Jahren den Palazzo Strozzi in Florenz; nun übernimmt er die Brera-Pinakothek in Mailand. Bellenger wechselt vom Art Institute Chicago ans Museo di Capodimonte in Neapel.

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