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Kultur: Ja, diese Stadt braucht drei Opernhäuser

„I hate Mozart“ im Theater an der Wien

Immer, immer, immer Amadeus! Im elften Monat des Jubiläumsjahres scheint die Übersättigungsgrenze erreicht: „Ich hasse Mozart!“. Als Auftragswerk für das Theater an der Wien hat Michael Sturminger jetzt ein Opernlibretto über den Mozartbetrieb verfasst, das hinter den Vorhang führt, in Theaterkantinen, zu Preisverleihungen und Premierenfeiern, in Hotelzimmer und Direktionsbüros. Es zeigt all jene, die sich zu lebenslanger Mozartpflege verurteilt haben: mittendrin der Stardirigent und Mozartspezialist Adriano Morado (Florian Boesch). Nicht nur bei der Arbeit, auch im Privatleben sucht ihn Mozart heim; seine Ehefrau (Dagmar Schellenberger) beharrt als alternde Diva weiterhin auf der Rolle der Pamina, während sich die aus Osteuropa stammende, an Anna Netrebko erinnernde Geliebte (Andrea Lauren Brown) dadurch nicht die Karriere verzögern lassen will.

Sturminger selbst hat sein Libretto mit sehr viel Spiellaune und Insider-Anspielungen gewürzt im dritten Wiener Opernhaus inszeniert. Überraschenderweise kann der Komponist Bernhard Lang sein Musiktheater der Dekonstruktion erstaunlich klar vorführen. Eine Handlung wird nicht repräsentiert, sondern ihr Zustandekommen durch elektronische Verzerrungen, Dubletten, Segmentierungen und Endlosschleifen repetiert. Motor der Musik ist für ihn das Üben, das Exerzieren bis zur Perfektion. Mozarts Musik als Qual und Mühe, doch gleichzeitig auch als unerreichbare Sehnsucht nach dem Perfekten, nach dem Mai, der „die Bäume wieder grün“ machen soll.

In der Übermalung dieses Liedes und vor allem in den unendlichen Verzögerungen und Dekonstruktionsbemühungen von „Dalla sua pace“ aus „Don Giovanni“ gelingen Lang verstörende Klangräume. Doch auch die Lösung, die er für Sturmingers kabarettnahe Texte gefunden hat, imponiert: Von zwei Turntable-Spielern in den Logen begleitet, erscheinen die Rezitative als „Rapgesang“, ein groteskes Gestottere etwa, wenn der Kulturstaatssekretär seine Preisrede halten muss. Die atmosphärische Dichte, die der Abend ausstrahlt, verdankt sich dabei vor allem der Disziplin des Klangforums Wien unter Johannes Kalitzke.

Für das Theater an der Wien hat sich Mozart gelohnt. Das traditionsreiche Haus am Naschmarkt, in dem einst die „Zauberflöte“ uraufgeführt wurde und das in den letzten Jahrzehnten fast ausschließlich als Musicalbühne diente, hat sich dank der Mozartpflege im Jubeljahr als eigenes drittes, ganzjährig bespieltes Opernhaus in Wien etabliert.

Neben Mozart (im Januar inszeniert Willy Decker „Idomeneo“) wird es im kommenden Jahr einen Schwerpunkt auf der Barockoper (René Jacobs dirigiert „Giulio Cesare“ im April) sowie dem zeitgenössischen amerikanischen Musiktheater (Nikolaus Lehnhoff deutet im September „Dead Man Walking“) geben. Man sieht sich als „Städtische Oper“. Das kann sich die Gemeinde Wien auch leisten. Die zwei größten österreichischen Opernhäuser, die Wiener Staatsoper und die Wiener Volksoper, werden nämlich zusammen mit dem Burgtheater selbstverständlich vom Bund finanziert. Und kein Bundesland erhebt gegen solche Bevorzugung der Hauptstadt Einspruch. Tu felix Austria!

Infos: www.theater-wien.at

Bernhard Doppler

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