zum Hauptinhalt
Der Pianist Jacques Loussier im Jahr 1970.

© picture-alliance / dpa

Jacques Loussier wird 80: Das Leben ist ein langer ruhiger Bach

Zum 80. Geburtstag des französischen Pianisten Jacques Loussier.

Das Malheur passierte während der Prüfung: Mitten in einem Stück von Johann Sebastian Bach verliert der Klavierstudent des Pariser Konservatoriums den Faden und muss improvisieren, bis er endlich wieder zum originalen Notentext zurückfindet. Kurze Zeit später erlebt Jacques Loussier zum ersten Mal das Modern Jazz Quartet und versteht schlagartig: beides passt zusammen, der barocke Tonsatz und der freie Geist der amerikanischen Musik, die Ästhetik der Tonsprache des frühen 18. Jahrhunderts und der Rhythmus einer neuen Zeit.

Wie Jacques Loussier in der Folge mit einem Kontrabassisten und einem Schlagzeuger bekannte Stücke des Thomaskantors bearbeitet, das gefällt seinen Kommilitonen, das gefällt bald auch in der Pariser Künstlerszene. „Play Bach“ nennt sich das Trio, was wortwitzig gemeint ist, entspricht die französische Aussprache der beiden Worte doch der Art, wie auch der englische Begriff „playback“ aus dem Mund eines Franzosen klingt. 1959 eröffnet die Decca den jungen Interpreten die Chance, eine Schallplatte zu veröffentlichen. Dass sie sofort zum Hit wird – und Jacques Loussier mit ihr zum Urvater des Crossover – hätte damals keiner der Beteiligten zu Träumen gewagt.

Doch der verjazzte Bach führt nicht zu wütenden Protesten der Puristen, sondern zu Begeisterungsstürmen in den Konzertsälen der Welt. Weil es der Franzose versteht, die Skeptiker wie die Fans davon zu überzeugen, dass er dem deutschen Komponisten bei aller Experimentierfreude mit größtem Respekt begegnet. Sechs Millionen Exemplare verkaufen sich von „Play Bach“ und den Folgealben, wie getrieben tourt das Trio über die Kontinente. Bis Loussier nach 2000 Auftritten körperlich nicht mehr kann. 1978 zieht er sich zurück in die Provence, in sein Schloss Marival, vermag aber nur kurz inne zu halten, startet eine zweite Karriere als Komponist im tonalen Stil. Für über 100 TV- und Kinofilme hat er seitdem Soundtracks geschaffen. Im eigenen Studio produziert er zudem Schallplatten mit Stars wie Pink Floyd oder Elton John.

1985 aber, zum 300. Bach-Geburtstag, zieht es Loussier dann doch wieder auf die Bühnen. Er gründet das Trio neu, trifft tatsächlich überall auf ein begeistertes, mit ihm gereiftes Publikum, das immer noch die alten Arrangements hören will, und die Bearbeitungen von Vivaldi, Satie oder Debussy, die neu im Programm sind, freundlich aufnimmt. 2011 erleidet der Pianist beim Klavierfestival Ruhr einen Schwächeanfall, 2012 zieht er sich von der Bühne zurück. Heute wird der Mann, der parallel zur Alte-Musik-Bewegung um Nikolaus Harnoncourt und Gustav Leonardt Bach auf seine Art zum Swingen brachte, 80 Jahre alt.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false