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Kultur: Jäger-Meister

So nah, so gut: Webers „Freischütz“ in Cottbus

Warum man in Berlin, einer Stadt mit „Freischütz“-Inszenierungen in allen drei Opernhäusern, unbedingt etwas über eine Neuproduktion von Carl Maria von Webers Meisterwerk am Staatstheater Cottbus wissen sollte? Weil hier, so ganz anders als in der Hauptstadt mit ihren unzähligen Kulturverlockungen, eine Premiere noch ein gesellschaftliches Ereignis ersten Ranges darstellt, weil sich in den Foyers des traumschönen, frisch restaurierten Jugendstil-Baus dann wirklich jeder drängt, der in Cottbus mitreden will, und vor allem auch, weil hier eine echte, tiefe Verbundenheit des Publikums mit „seiner“ Bühne spürbar wird. Das Theater als Treffpunkt, als geistiges Zentrum der Kommune, als Ort auch der bildungsbürgerlichen Selbstvergewisserung: Das alles verkörpert der mit allerlei exotischen Fabelwesen verzierte Musentempel seit 1908, das alles wurde über antibourgeoise DDR-Zeiten und kalte Nachwendewinde hinübergerettet.

Und das Ensemble des Stadttheaters gibt die Liebe zurück in den Saal: Es wird mit einer emotionalen Ernsthaftigkeit gesungen und gespielt, die berührt. Anna Sommerfelds innige Agathe, Cornelia Zinks resches Ännchen scheinen geradezu von innen her zu leuchten, Alexander Trauth zeigt, dass Bösewicht Kaspar ein orientierungsloser Pubertist ist, Jens Klaus Wilde gibt sich rückhaltlos der Mörderpartie des Max hin.

So überraschend langsam Generalmusikdirektor Reinhard Petersen manche Passagen angeht, so stringent entfaltet er seine Tempo-Dramaturgie im Lauf des Abends: Jede Phrase, jeder Aufschwung des Orchesters nämlich ist von innerer Bewegung belebt, hat eine eigene, unmittelbar packende Präsenz. Der von Christian Möbius einstudierte Chor serviert nicht nur die Jäger-Nummer mit einer lässigen Souveränität bei rhythmischer Präzision, die vor allem Besucher aus Berlin- Charlottenburg aufhorchen lässt. Überhaupt weiß hier jeder in jedem Moment, warum er etwas tut: Wolfgang Lachnitts Inszenierung mag man konventionell nennen, seine Personenführung hat hohe handwerkliche Qualität.

Ob er den Besuch Agathes beim Eremiten als stummen Prolog hinzufügt, ob er dem Teufelskerl Samiel zusätzliche dämonische Sentenzen in den Mund legt, dem Regisseur geht es allein darum die krude Geschichte zu erhellen – für Zuschauer, die dieses deutsche Herzstück mehrheitlich zum ersten Mal erleben. Feine Ironie findet er für den Jungfernkranz, in der Wolfsschluchtszene wird mit einfachsten Mitteln mächtig gezaubert. Größe, das macht dieser Cottbuser Theaterabend deutlich, ist eben definitiv nicht entscheidend. Frederik Hanssen

Wieder am 10. und 18. November.

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