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Sportskanonen brauchen Frotteehandtücher. Andreas Merk und Marlene Monteiro Freitas in "Jaguar".

© Laurent Paillier

"Jaguar" im Berliner HAU: Rubbel das Pferd

Karnevalesk und knallkomisch: Das Tanzstück „Jaguar“ der kapverdischen Choreografin Marlene Monteiro Freitas im HAU.

Von Sandra Luzina

Eine geschmeidige Raubkatze kommt in Marlene Monteiro Freitas’ neuem Tanzstück „Jaguar“ nicht vor, dafür aber ein farbiges Pferd aus Pappmaché – ein Verweis auf die Künstlergruppe Blauer Reiter. Das ist nicht die einzige Referenz der furiosen Performance, die im HAU 2 zu sehen ist. Die vielversprechende Choreografin ließ sich auch von der Musik Strawinskys und Schönbergs, den Geschichten E. T. A. Hoffmanns und den Werken Adolf Wölflis inspirieren – und vom Karneval ihrer Heimat Kap Verde.

Die Einflüsse verarbeitet sie nicht nur zu einem Parforceritt durch die jüngere Kunstgeschichte – „Jaguar“ ist ein Abend der ausufernden Imaginationen, wie man ihn nur selten sieht. Die Zeichenmaschinerie springt sofort an. Marlene Monteiro Freitas und Andreas Merk jagen in weißem Tennis-Dress und mit grellrot überschminkten Mündern über die Bühne. Mit dem Schweißtuch über der Schulter bewegen sich die Sportskanonen anfangs zu karibischen Rhythmen und muten dabei wie mechanische Puppen an. Die beiden sind Komplizen in diesem manipulierenden Marionettentheater, bei dem man nicht weiß, wer die Strippen zieht.

Frotteehandtücher sind das wichtigste Requisit

Freitas verbindet das Groteske sehr eigenwillig mit dem Karnevalesken. Die beiden Performer durchlaufen fortwährend bizarre Metamorphosen. Das wichtigste Requisit sind Frotteehandtücher. Es wird gewickelt und gewischt. Zu den Klängen von Strawinskys „Sacre du printemps“ rubbelt Freitas sich mit dem Handtuch zwischen den Beinen und verbindet das Zittern des Opfers mit dem sexuellen Schauder. Ungemein amüsant ist es, wie Andreas Merk die Pathosformeln entsorgt und dabei zwischen grimmiger Expressivität und erhabener Albernheit schwankt. Auch das Papp-Pferd wird hingebungsvoll geschrubbt, bevor die beiden es auseinanderreißen.

Die überbordende Fülle an Bildern, die Vieldeutigkeit der Bewegungen schlagen den Zuschauer in den Bann. Besser als zu versuchen, Verweise zu entziffern, ist es, sich den wild ins Kraut schießenden Assoziationen zu überlassen. Marlene Monteiro Freitas wie auch Andreas Merk sind fantastische Performer, sie begeistern mit einer frappierenden Geschmeidigkeit des gestischen und mimischen Ausdrucks. Ihre Parade hybrider Körper ist irrwitzig komisch.

Nächste Vorstellung: HAU 2, Do 1. 6., 20 Uhr

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