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Vom Rapper zum Rocker. Der Hamburger Sänger Jan Delay.

© Paul Ripke

Jan Delay im Interview: „Über Heino habe ich mich geärgert“

Nach Funk kommt Rock: Jan Delay über Genregrenzen, nette Metal-Fans und sein viertes Album „Hammer & Michel“, das am Freitag erscheint.

Herr Delay, im Video zu Ihrer Single „Wacken“ sieht man Sie als Besucher des dortigen Heavy-Metal-Festivals. Wie haben Sie es geschafft, dass Ihr Anzug dabei so schön weiß geblieben ist?

Na, indem ich es vermieden habe, in den Moshpit reinzugeraten. Außerdem hat es nicht geregnet. Aber meine Schuhe waren am Ende nicht mehr schön pink, sondern hatten allerlei Brauntöne. Die waren voll im Arsch.

Haben die Metal-Fans nicht versucht, Sie mit Bier zu überschütten?
Nee, das waren die nettesten Menschen der Welt. Ich war in meinem Leben schon auf vielen Festivals, aber noch auf keinem mit so lieben Menschen, sowohl vor als auch hinter den Kulissen.

Durften Sie auch stagediven?

Habe ich versucht, während des Rammstein-Konzerts. Aber die Fans hatten da seit zwei Stunden angestanden, und wenn man da dann ankommt und fragt „Hey, darf ich mal durch?“, ist das der Moment, wo die nicht mehr lieb und freundlich sind.

Und wie waren die Reaktionen auf das Video?
Teilweise schon sehr kritisch. Aber das sind wohl Leute, die sich sowieso über das Wacken-Festival aufregen und behaupten, dass es zu kommerziell geworden ist. In Metal-Foren haben Leute geschrieben: Letztes Jahr Heino, jetzt kommt der auch noch. Da hab ich auf Facebook geantwortet: Hey Leute, alles gut, ich wollte mich da in nichts reinhacken, ich habe einfach nur einen Song gemacht und ein lustiges Video. Wenn Black Sabbath ein Video auf dem Splash Festival machen würden, wäre ich der erste, der die feiern würde.

Ist die auch von Ihnen praktizierte Form der Provokation durch Genreüberschreitung nicht spätestens seit dem Heino-Album obsolet geworden?
Also der Heino-Auftritt ist eigentlich genau das, wovon ich in meinem neuen Song „Scorpions-Ballade“ singe. Mit dem Genreüberschreiten verhält es sich so: Das ist das Paradies, von dem wir vor zwanzig Jahren immer geträumt haben. Dass alle alles hören und dass es keine Genre-Grenzen mehr gibt. Bei den Beginnern hatten wir in der Hip-Hop-Szene anfangs mit dieser Engstirnigkeit zu kämpfen. Als wir mal ein Slime-Sample verwendeten, waren wir gleich die Punk-Chaoten. Und als wir mit Live-Instrumenten arbeiteten, waren wir sofort die Hippie-Typen.

Sie waren schon früh offen für andere Einflüsse.
Ja, wir haben alles gehört und alles gefeiert. Wir haben uns immer gewünscht, dass so was mal passiert. Und jetzt, durch das Internet, haben wir das seit zehn Jahren, dass für die Kids einfach alles verfügbar ist, die Grenzen fallen weg. Das heißt, die Frage, die Sie eben gestellt haben, kann man also eigentlich gar nicht mehr stellen, weil es die Grenzen gar nicht mehr gibt.

Hat das nicht auch Nachteile, weil man sich nicht mehr abgrenzen kann?
Bei den Positionen ja, bei der Musik nicht. Es wird gefährlich, wenn politische Positionen wegfallen, wenn die CDU plötzlich Kernkraft verdammt und Ähnliches. Heino ist zwar nicht gefährlich, aber ich hab mich schon über ihn geärgert. Er hat ja auch einen Beginner-Song gemacht. Das fand ich schon ziemlich schlimm, denn für mich ist er einfach ein reaktionärer, alter Mann.

Und wie fanden Sie seine Version von „Liebes Lied“ musikalisch?
Wie ein Witz. Wenn er Rammstein covert und dann mit dem R rollt, ist das vielleicht noch okay, aber bei uns? „Ich will Liebe auf den errrrsten Kick“. Der weiß ja noch nicht mal, was der da singt.

In ihrer „Scorpions-Ballade“ schwingt aber trotz aller Ironie auch Trauer darüber mit, dass Faschos jetzt Wu-Tang Clan hören und Polizisten Bob Marley.
Ja genau, das sind ja alles Fakten. Ich mag auch solche Musik. Ich mag Balladen. Das ist nicht alles nur Hahaha, ich habe keine dieser lustigen Metal-Gag-Band- Platten gemacht wie The Darkness. Ich meine das schon alles ernst. Ich habe zwar oft eine lustige Herangehensweise und lustige Bilder, aber die Intention ist eine ernste.

Aber warum gerade Rock? Rock ist eigentlich ein humorfreies Genre und stagniert gerade total.
Genau deshalb muss ich jetzt doch damit kommen. Ich mache doch immer gerade das, was nicht geht und wo nichts los ist. Keiner macht, was ich da gerade mache. Also ist es genau das Richtige.

Ich habe auf Partys früher auch mal Klaus Lage-Songs aufgelegt

Vom Rapper zum Rocker. Der Hamburger Sänger Jan Delay.
Vom Rapper zum Rocker. Der Hamburger Sänger Jan Delay.

© Paul Ripke

Als Sie mit Soul und Funk anfingen, lief deren Revival schon. Das Daptone-Label etwa bringt seit Anfang der nuller Jahre Platten von Leuten wie Sharon Jones raus.
Ja, natürlich. Ich denke nicht ständig darüber nach, was gerade woanders passiert. Ich mache, was ich gerade machen will. Sag mir, von wann die letzte gute deutschsprachige Rockplatte ist, zu der man tanzen kann, und wo man sagt: derbe Platte, die feier’ ich. Eine ganze Platte, nicht nur ein Song. Dafür muss man zurückgehen bis zur ersten Selig- Platte, das war 1994. Und davor war’s Nina Hagen und Band von 79 oder 78.

Naja, es gab seither auch ein paar gute Tocotronic- und Sterne-Alben.
Ja klar, ich hab mir auch „Posen“ von den Sternen gekauft, aber eben nur wegen „Was hat Dich bloß so ruiniert?“. Das ist ein Song. Es gibt da einfach nicht viel.

Mussten Sie damals vor Ihren Eimsbush-Rapkollegen verheimlichen, dass Sie sich das „Posen“-Album gekauft haben?
Nee, das nicht, aber da hieß es eben „Jaja, der Jan mit seinem Scheiß wieder“. Ich habe auf Partys zwischendrin Klaus Lage oder Klaus & Klaus aufgelegt, weil ich auch solches Zeugs schon immer gut fand. Meinen Freunden bin ich damit bestimmt auf den Sack gegangen, wenn ich auf den Autofahrten dann auch mal George Michael hören wollte.

Schadet das nicht der Street-Credibility?

Nein, wenn man Eier hat und dazu steht, schadet das überhaupt nicht. Man steht für was ein und vertritt eine eigene Meinung. Und vor den ganzen Leuten zu stehen und zu sagen, dass man „Freedom“ von George Michael geil findet, das hat Eier. Peinlich ist eher, etwas heimlich zu hören. Ich weiß noch, wie Sticky Danger von der Mongo Clikke damals offen gesagt hat: „Ey, Phil Collins ist richtig derbe.“ Da hab ich mich kaputtgelacht. Aber es hat mir imponiert. Ein Jahr später bin ich zu ihm und hab ihm gesagt: Mann, Du hattest recht. Phil Collins ist richtig derbe. „Against All Odds“ ist eine der krassesten Balladen, die es gibt. Wenn man älter wird, kann man sich das eingestehen.

Beim Bundesvision Song Contest stand mal die Entscheidung an, ob Sie oder die Rockband Oomph gewinnt. Sie riefen ins Mikro: „Jetzt wird sich zeigen, ob Deutschland Style hat oder nicht.“

Ja, das eine war eben Hannover-Kartoffel-Rockzeug, das alle kennen. Das andere war meins, ein bisschen fresher. Die Leute haben sich für das Kartoffelige entschieden.

Deutschland hat keinen Style?

Es wird immer besser. Jedes Jahr passiert etwas. Wenn man mit offenen Augen und Ohren rumgeht, fällt einem das auf. Zum Beispiel Läden, die plötzlich Produkte aus der Umgebung anzubieten, für die alle gut entlohnt werden. Oder Leipzig. Ich komme dorthin, nachdem ich fünf Jahre nicht mehr da war, und denke: Unfassbar, wie schön es hier plötzlich aussieht. Sie haben es geschafft, die alte Stadt zu restaurieren und zu erhalten. Es ist richtig geil geworden. Das kann aber auch ein experimentelles Tatort-Drehbuch sein, das sich vor fünf Jahren noch keiner getraut hätte umzusetzen, weil es zu viele Schimpfwörter enthält und zu polizeikritisch ist. Es ist nicht alles Heino in Deutschland.

Wie findet eigentlich ihr Freund Udo Lindenberg „Hammer & Michel“?
Geil, geil, geil. Ich glaube, er hatte mit den Texten ein paar Probleme, weil er nicht alles verstanden hat. Aber die Mucke, die hat ihm gefallen. Hätte mich ehrlich gesagt auch gewundert, wenn nicht. Ich bin schließlich Udo-Fan, da müssen wir ja einen ähnlichen Geschmack haben.

"Streaming finde ich ok, aber es wird scheiße bezahlt."

Sie haben sich in der Vergangenheit klar gegen illegale Downloads positioniert. Jetzt gibt es ja einen neuen Dreh durch das Streaming. Spotify und Co. werden immer populärer. Eine gute Entwicklung?
Streaming find ich scheiße. Oder nein, ich finde Streaming okay, aber es wird scheiße bezahlt. Da ist iTunes tausendmal besser für uns Künstler. Aber Streaming-Portale sind ein Witz. Ihr müsst Euch mal die Abrechnung angucken, die Daft Punk für „Get Lucky“ bekommen haben. Früher hast Du für einen großen Hit viel Geld gekriegt. Heute gibt’s auch viel Geld, aber nicht für die zwei Typen mit den Roboterhelmen.

Aber die Plattenfirmen sind doch diejenigen, mit denen die Musiker Verträge über Streaming abschließen. Wieso beschweren Sie sich nicht bei denen?

Weil die Verträge zu Zeiten geschlossen wurden, in denen es das noch gar nicht gab. Dann musst Du nachverhandeln. Das ist alles nicht so einfach. Ich bin gerade dabei zu sagen: Ich will da nicht stattfinden. Nehmt mich da raus, ich hab keinen Bock darauf.

Immerhin laden Leute, die Streaming-Angebote nutzen, die Lieder nicht illegal runter. Der Sprung in eine andere Umgebung ist gelungen. Jetzt müsste man nur noch dafür sorgen, dass es mehr Geld dafür gibt.
Aber dann würde es vielleicht wieder ganz woanders hingehen. Wenn Facebook plötzlich etwas kosten würde, dann würde es keiner mehr nutzen. Und Spotify lebt ja davon, dass es für so wenig Geld verfügbar ist. Wenn es so viel kosten würde, wie es tatsächlich wert ist, dann gäbe es wahrscheinlich bald viel weniger Nutzer.

Wie hören Sie eigentlich selber Musik?
Für Platten bin ich seit zehn Jahren zu faul. Ich hab eine riesige Plattensammlung, aber seit 2005 wurde da nichts mehr zugekauft. Ich bin auf CD und iTunes umgestiegen. Außerdem höre ich viel Radio. Dr. Dre hat übrigens gerade ein Streaming- Portal eröffnet, das wie ein Radio funktioniert. Da selektiert also jemand die Musik. Das finde ich mal eine gute Idee.

Das Gespräch führten Nadine Lange und Sebastian Leber.

„Hammer & Michel“ erscheint am 11.4. bei Universal. Konzert: 9.10., Max-Schmeling-Halle.

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