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Anzug ist Pflicht. Janelle Monáe.

© Warner

Janelle Monáe: Date mit einem Alien: Janelle Monáes neues Album

Retrofuturistisches R’n’B-Feuerwerk: Die amerikanische Sängerin Janelle Monáe veröffentlich ihr zweites Album „The Electric Lady“, bei dem sie neben Prince auch von Erykah Badu, Solange und Esperanza Spalding unterstützt wurde.

Denzel Washington und Wesley Snipes spielen in Spike Lees Film „Mo’ Better Blues“ zwei Jazzmusiker. Gegen Ende führen sie einen berühmten Dialog, in dem es darum geht, dass kaum Schwarze zu ihren Konzerten kommen. Der von Snipes verkörperte Saxofonist will sich dem Gejammer seines Trompeter-Kollegen nicht anschließen und sagt: „If you’d play shit that they like people would come.“ Wenn du Zeug spielen würdet, das die Leute mögen, würden sie auch kommen.

Die Hip-Hop-Band The Roots aus Philadelphia verwendete 1999 ein Sample des Film-Dialogs als Eröffnung ihres Albums „Things Fall Apart“, denn auch sie hatte und hat bei Konzerten ein vorwiegend weißes Publikum. Und was ist nun das Zeug, das sie mögen? Mit Janelle Monáe nimmt sich nun eine der großen Hoffnungsträgerinnen des R’n’B der Sache an und verspricht auf ihrem gerade erschienenen zweiten Album „The Electric Lady“ dem Publikum zu geben, was es liebt. „Givin Em What They Love“ heißt das programmatische zweite Stück, das mit einer auf abgedämpften Saiten umherschleichenden Rhythmusgitarre, einem Donnerschlag-Beat und einem Gastauftritt von Prince aufwarten kann. Im Falsett singt er mit Monáe übers Tanzen und Lieben und streuselt noch ein paar Gitarrenlicks in den Mix.

Prince ist schon seit Jahren ein Fan der 27-jährigen Sängerin aus Atlanta. Diesen Sommer rief er sogar bei den Verantwortlichen der BET-Awards (Black Entertainment Television) an, um ihren Auftritt bei der diesjährigen Show einzufordern – und setzte sich durch. Zusammen mit Erykah Badu sang Janelle Monáe dort ihre Vorab-Single „Q.U.E.E.N“.

Die Episode spiegelt bei allem Glamour auch ein Problem der in Kansas geborenen Musikerin: Prince muss erst anrufen, sie wird nicht ohnehin gebucht. „Givin Em What They Should Love“ wäre vielleicht auch ein passender Titel für das gemeinsame Lied gewesen. Denn Monáe bekam zwar vor drei Jahren für ihr Debütalbum „The Archandroid“ zu Recht eine Menge hymnischer Kritiken sowie eine Grammy-Nominierung, doch ein Chart-Erfolg war es nicht. Es bedarf keiner prophetischen Gaben, um „The Electric Lady“ ein ähnliches Schicksal vorherzusagen – was schade ist, denn das Album gehört zu den aufregendsten dieses Herbstes und zu den besten R’n’B-Veröffentlichungen in diesem Jahr. Es schreibt die Vorgängerplatte fort und ist ebenfalls ein Konzeptalbum, das in die Teile „Suite IV“ und „Suite V“ aufgeteilt ist. Im Booklet wird eine Science-Fiction-Story rund um Monáe und ihr bereits eingeführtes Alter Ego skizziert, den Androiden Cindi Mayweather.

Zwischen den Stücken ist ein intergalaktischer Radiosender mit einem cool daherredenden DJ zu hören, der sich mit nächtlichen Anrufern unterhält. Das wirkt alles ein wenig krude und auch überambitioniert, dient aber durchaus effektiv dem Zweck, eine retrofuturistische Atmosphäre zu erzeugen. Offensiv stellt sich Monáe so in die Tradition von weltraum- und roboterbegeisterten Musikern wie Sun Ra, David Bowie, George Clinton, Björk und Kraftwerk. Was sie im Feld ihrer zwischen Porno-Chic (Rihanna, Miley Cyrus) und Hochglanz-Perfektionismus (Beyoncé, Alicia Keys) angesiedelten Zeitgenossinnen tatsächlich wie ein Alien wirken lässt. Mit ihrer Schwarz- Weiß-Ästhetik, der ernsten Mimik und der Haartolle hebt sich Monáe von den aktuellen durchformatierten Weiblichkeitskonzepten ab. In Uniform gegen die Uniformität. Ein Android im Anzug, der übrigens von sich behauptet, nur andere Androiden zu daten. Solange Lady Gaga in ihrer erratischen Phase feststeckt, ist dies jedenfalls eine der schillerndsten Kunstfiguren des Popgeschäfts.

Ein echter Hit fehlt auf dem Album

Ebenso unterhaltsam sind Janelle Monáes neue Songs, mit denen sie sich bei aller Vergangenheitsverliebtheit um einen modernen Sound bemüht. So schraubt sich etwa das Titelstück von „The Electric Lady“ – mit Beyoncés kleiner Schwester Solange als Gastsängerin – aus einem lockeren Synthie- und Synkopengroove in eine blühende Bläserbreitwand-Fantasie hinein, ohne dass es angestrengt erscheint. Eine Stärke, mit der Monáe noch nicht besonders in Erscheinung getreten ist, sind die Balladen: Um den Schmachtfetzen „Primetime“ wird sie Rihanna mit Sicherheit beneiden, genau wie um die Idee, das Ganze mit dem nachgesungenen „Uhuhu“-Jaulen aus „Where Is My Mind?“ der Pixies zu unterlegen.

In „Can’t Live Without Your Love“ kommt die Modulationsfähigkeit von Monáes Stimme besonders gut zur Geltung. Hier sowie im Duett mit der großartigen Esperanza Spalding mischen sich einige jazzige Momente in die Produktion, die deutlich besser hineinpassen als die gelegentlichen Pseudo-Prince-Gitarren-Soli.

Das Einzige, was dem spektakulären Kreativfeuerwerk von „The Electric Lady“ fehlt, ist ein sofort einleuchtender Hit. Am ehesten kommt dafür noch das zackige, mit seinen feinen Orgel- und Ukuleleakzenten versehene „Dance Apocalyptic“ infrage. Es klingt ein wenig, als hätten Outkast versucht, einen Motown-Song aufzunehmen. Monáe listet im Booklet Michael Jackson und Bo Diddley als Inspirationsquellen auf. Jedem ihrer 16 referenzreichen Stücke stellt sie eine solche kurze Erklärung voran, und schon für eine Formulierung wie „Inspiriert von der Idee, dass Ennio Morricone mit Duke Ellington Karten spielt“, muss man sie lieben. Ob das das Zeug ist, das die Leute wollen? Egal, es ist tolles Zeug.

„The Electric Lady“ ist bei Warner erschienen.

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