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Jasna Fritzi Bauer

© Neue Visionen

Jasna Fritzi Bauer in "Scherbenpark": Die Wut in mir

Jungschauspielerin Jasna Fritzi Bauer überzeugt in Bettina Blümners "Scherbenpark" als zornige junge Frau - als ein Mädchen, das kein Opfer sein will.

Bettina Blümner kann es einfach: die Wirklichkeit darstellen, ohne sie rosarot oder bleigrau einzufärben. Als schwierig verrufene Milieus schildern, ohne sie zur Schmuddelkulisse zu degradieren oder die Protagonisten zu obercoolen Underdogs zu stilisieren. Menschen und Figuren Würde geben. Den Witz des unspektakulären Alltags sehen.

Das hat die Berliner Regisseurin 2007 mit ihrer hinreißenden Kreuzberg-Dokumentation „Prinzessinnenbad“ gezeigt. 2011mit ihrem Theaterprojekt „Familienrat“ im HAU. Und jetzt mit der kraftvollen Verfilmung von Alina Bronskys 2008 erschienenem, mit Lob überschüttetem Debütroman „Scherbenpark“.

Scherbenpark, das ist eine anonyme, nicht näher verortete Neubausiedlung, in der viele Russlanddeutsche wohnen. In der Draufsicht haben die in entsättigten Farben gefilmten Wohnungswaben grafische Qualitäten, dort zu leben ist alles anderes als schön. Doch die 17 Jahre alte Sascha, die genau das ist, was sonst angry young man heißt, beißt sich durch. Mit Klugheit, Frechheit und wenn’s sein muss auch mit Fäusten. „Ich hab’ nie Angst, merk dir das“, „Mir kann keiner weh tun“, das sind so Drehbuchsätze, die man sonst keiner Teenagerheldin abkauft. Dieser schon.

Auch wenn von der ersten Filmsekunde an klar ist, dass der Urgrund von Saschas großem Zorn ein großer Schmerz ist. Der größte überhaupt. Der Verlust der Mutter, die vom Stiefvater erschossen wurde. Dass dieser Vadim nun im Knast sitzt, tröstet Sascha nicht. „Manchmal denke ich, ich bin die einzige in meinem Viertel, die noch Träume hat“, sagt sie. Erstens, ihren Stiefvater töten. Zweitens, ein Buch über die russische Mutter schreiben, die als schlaue Kunsthistorikerin und Journalistin dämlich genug war, einem Mann ins fremde Deutschland zu folgen und sich da von ihm ermorden zu lassen.

Als Vadim plötzlich als reuiger, kunstsinniger Sünder in einem Zeitungsartikel auftaucht, stellt Sascha wütend den verantwortlichen Redakteur (Ulrich Noethen) zur Rede. Der lässt Sascha schuldbewusst bei sich und seinem Teenagersohn wohnen. Von der Assi-Siedlung zum schicken Ökohaus, das ist ein Kultur-Clash, den der Film darstellt, ohne daraus ein auf Oberflächenreize setzendes, voyeuristisches Kapital zu ziehen. Viel wichtiger ist das feine Gespinst aus Anziehung und Abstoßung, das Sascha, Vater Volker und Sohn Felix (Mag Hegewald) bald umschließt.

Sascha, das ist Jasna Fritzi Bauer, die für diese Rolle beim Max-Ophüls-Festival als beste Darstellerin ausgezeichnet wurde. Bauer, Ernst-Busch-Absolventin und Ensemblemitglied des Wiener Burgtheaters, hat Erfahrung in der Darstellung zorniger junger Mädchen. Wie in Christian Petzolds „Barbara“, wo sie die rebellische Ausreißerin spielt, die immer wieder aus dem sozialistischen Erziehungslager ausbüchst. In Bettina Blümners Drama versöhnt sie mit ihrem nuancenreichen, pointierten Spiel nervige Pubertistenpampigkeit mit anrührender seelischer Zartheit. Dieser Sascha schlägt der Scherbenpark zwar Löcher in den Kopf, doch er wird sie nicht unterkriegen.
Babylon Kreuzberg, Central Hackescher Markt, Cinemaxx Potsdamer Platz, Kino in der Kulturbrauerei, Moviemento

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