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Cool bleiben. Jean-Michel Jarre im April 2018 vor einem Konzert in Kalifornien.

© Kyle Grillot/AFP

Jean-Michel Jarre zum 70.: Avantgarde in Holzfurnier

Kaum zu glauben, der Elektropop-Pionier Jean-Michel Jarre wird 70. Ein Geburtstagsgruß.

Musizierende Pensionäre sind gelegentlich skurril und schlimmstenfalls Mitleid erregend fürs Publikum, das Zeuge ihrer schwindenden Kräfte wird. Manche altern in Würde – und einer scheinbar überhaupt nicht. An diesem Freitag wird Jean-Michel Jarre 70 Jahre alt. Zum Jubiläum hat er seine Musik aus 50 Jahren gesichtet und „festgestellt, dass ich vier verschiedene Arten von Kompositionen habe“ – atmosphärische Stücke ohne Beat, um eine eingängige Melodie herum komponierte Werke, hypnotische Synthesizer-Loops und Experimentelles.

etzteres hat Jarre in seinen frühen Jahren aus Tonbandschnipseln zusammengeklebt, weil es damals der Stand der Technik war. Es war die Zeit der ersten E-Pianos in deutschen Wohnzimmern, Atari und Commodore folgten später. Die Amerikaner ließen ihre ersten Space Shuttles ins All fliegen – und Jarre lieferte den Soundtrack. Das schwebend dahinzischende Album „Oxygène“ machte ihn 1976 weltberühmt. Niemand zuvor hatte den holzfurnierten Analog-Synthies solche Klänge entlockt. Zumindest hatte sonst niemand eine Plattenfirma gefunden, die Achtminutentracks ohne Gesang herausbringen mochte. „Oxygène“ wurde zum meistverkauften Album aller Zeiten in Frankreich.

Eine Compilation ist gerade erschienen

Mit „Equinoxe“ gelang Jarre das nächste musikalische Weltkulturerbe. In den achtziger und neunziger Jahren folgten gigantische Lasershows, die Millionen Zuschauer anlockten und Einträge im Guinness-Buch der Rekorde sicherten. Spektakel, die man auch als Indiz für Größenwahn auffassen konnte. Doch als er vor ein paar Jahren im Berliner Soho-House eine Dokumentation über sein Leben präsentierte, bemerkten ihn die Reporter nicht gleich. Jarre schlenderte hinter seiner aufgeregt gestikulierenden Managerin her wie der mitgereiste Ehemann einer Geschäftsfrau, der sich nur mal unauffällig umguckt. Im Film spaziert er mit seiner Ex-Frau Charlotte Rampling durch Paris, erzählt übers schwierige (Nicht-)Verhältnis zu seinem Vater, Filmkomponist Maurice Jarre, wälzt sich mit einem Hund auf dem Teppich. Es ist das Porträt eines grundvernünftigen, uneitlen Menschen.

Vor einem Jahr ließ Jarre in Berlin in der Zitadelle Spandau seinen kunterbunten Spielzeugladen blitzen, dampfen und fauchen. Jetzt, mit 70, bringt er sein größtes Album heraus: „Planet Jarre – One Planet for all (formats).“ 41 Tracks aus 50 Jahren, neu bearbeitet und in die vier Playlists sortiert, in die er sein Werk eingeteilt hat. Wäre ein Wunder, wenn Jean-Michel Jarre nicht wieder auf Konzertreise ginge. Er ist ja noch jung.

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