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Alte Skyline. Hermann Strucks Radierung „Jerusalem“.

© Abbildung: Museum

Kultur: Jeckes in Jerusalem

Aufbruch in die neue Heimat: Eine Ausstellung in Haifa über den Einfluss deutscher Einwanderer auf Israels Kunst.

Auf der postkartengroßen Radierung von Joseph Budko spiegelt sich das Thema einer ganzen Künstlergeneration wieder: „Leid und Hoffnung“ aus dem Jahr 1921 zeigt den Kopf eines religiösen Juden mit langem Haar und Kopfbedeckung, eine Palme und eine einfache Hütte: Das Ganze steht für den Aufbruch in die neue Heimat für Juden aus aller Welt, das zukünftige Israel, die Ankunft in einem Land, das damals noch nicht von den europäischen Werten und Standards geprägt war. Budkos Werk ist Teil der Ausstellung „Neues Bezalel“ im Hermann Struck Museum in Haifa, eine Schau, die sich mit dem deutschen Einfluss auf die israelische Kunst beschäftigt.

Bezalel ist der Name der bis heute bestehenden Akademie für Kunst und Design in Jerusalem, die 1935 wiedereröffnet wurde – nachdem sie einige Jahre wegen Geldmangel geschlossen worden war. Das „neue“ Bezalel wurde zur Heimat der eingewanderten deutschen Künstler, die hier lehrten und deren Werke nun zu sehen sind. Darunter: Joseph Budko, der in Polen geboren wurde und bis 1933 in Berlin lebte, Jakob Steinhardt oder Jacob Pins.

Viele dieser Künstler, die in den 30er Jahren aus dem antisemitischen Deutschland flohen, erlebten einen Kulturschock. „Das damalige Palästina war nicht das, was Israel heute ist. Viele durchlebten eine Identitätskrise. Noch dazu war das Wetter anders, das Licht viel heller“, erklärt Irit Salmon, die Kuratorin. Und: Die Gegend rund um Jerusalem ist steinig und karg. So zeichnete Leopold Krakauer im Jahr 1952 mit schwarzer Kreide stachelige Distelzweige, die an die Dornenkrone Jesu Christi erinnern. Anna Ticho, die in Wien studierte und deren Jerusalemer Haus heute ebenfalls ein Museum ist, zeichnete den „Heiligen Baum“, einen knorrigen Olivenbaum, ein Symbol der Region.

Die Deutschen hießen "Jeckes" - weil sie in der Hitze Jacken trugen

Die deutschen Künstler waren geprägt vom Impressionismus, von Landschafts- und Porträtzeichnungen. Außer ihrer Kunst brachten sie deutsche Tugenden und Werte mit. Allgemein wurden in Israel diese Einwanderer „Jeckes“ genannt, weil sie sich stets elegant kleideten und trotz hoher Temperaturen Jacken trugen. Doch von der damaligen Künstlerszene wurden die Deutschen nicht gerade mit offenen Armen empfangen. „Damals lebten viele Einwanderer aus Polen und Russland in Israel. Einige Künstler reisten immer wieder in die Hauptstadt der Kunst, Paris, und brachten so die abstrakte Kunst nach Israel“, sagt Salmon. So war die Kulturszene – damals vor allem in Tel Aviv – französisch geprägt.

Die deutschen Künstler zog es nach Jerusalem, wo bereits einige deutsche Intellektuelle lebten. „Dort wurde das Hadassah-Krankenhaus eröffnet, 1925 die Hebräische Universität. Viele Deutsche kamen deshalb hierher, pflegten ihre Traditionen und hatten ihre Cafés“, so die Kuratorin. Sie sahen hier auch viel Armut – immer wieder taucht diese in den Werken auf: „Zwei Bettler“, ein farbiger Holzschnitt von Miron Sima aus dem Jahre 1955 zum Beispiel, oder „Arabischer Bettler“ von Hermann Struck, eine Radierung aus dem Jahr 1929.

Struck, dessen Haus seit zwei Jahren das nach ihm benannte Museum beherbergt, war so etwas wie der Vater der damaligen deutschen Künstlerszene. Er ließ sich in den Hügeln Haifas im Norden nieder. Sein Haus war Anziehungspunkt für andere deutsche Künstler, die sich hier trafen, diskutierten und von Struck lernten. Bekannt für seine Lithografieren war er bereits in Berlin. 1908 erschien sein Werk „Die Kunst des Radierens“. Er widmete sich immer wieder den Moscheen und den Muezzin-Türmen Jerusalems sowie den Bergen rings um die Stadt. Aber auch Porträts von bärtigen Talmudgelehrten sind zu sehen.

Im ersten Stockwerk hat Irit Salmon außerdem Fotografien aus den 1930er bis 50er Jahren zusammengetragen. „Die Fotografie hat sich zwischen den beiden Weltkriegen entwickelt“, sagt Salmon. Die Aufnahmen zeigen Männer und Frauen in kurzen Hosen, mit Hut und Kopftuch und braungebrannter Haut, bei der Mais- und Strohernte, aber auch die Gebäude des Hadassah-Krankenhauses. Viele Fotografien wurden über jüdische Organisationen ins Ausland geschickt: um der Welt zu beweisen, welche enormen Fortschritte das Land beim Aufbau machte.

Hermann Struck Museum, Arlozorov 23, Haifa, bis 16. November

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