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Jimmy Scott: All That Jazz

Es sind immer die Streitbaren, die den Spirits auf der Spur sind. Curtis Mayfield hatte den Einfluss der schwarzen Kirche und ihrer Gospels auf die Entwicklung der Soulmusik betont, auch und besonders dann noch, als diese in den sechziger Jahren zunehmend politisiert wurde.

Es sind immer die Streitbaren, die den Spirits auf der Spur sind. Curtis Mayfield hatte den Einfluss der schwarzen Kirche und ihrer Gospels auf die Entwicklung der Soulmusik betont, auch und besonders dann noch, als diese in den sechziger Jahren zunehmend politisiert wurde. "People get ready" ist ein klassisches Beispiel für seine These, dass man die Texte älterer Gospelkompositionen einfach etwas verändern müsse, um ihren radikalen Gehalt zum Ausdruck zu bringen.

Mit sehr eigenem Timing und Timbre mixt der Sänger Jimmy Scott Jazz-Content mit Mayfields Gospel Soul, dessen Hymne "People Get Ready" er auf seiner "Heaven"-CD in die neunziger Jahre rettete. Jimmy Scotts Gesang ist ungewöhnlich geblieben, eine Geschmacksfrage - bei Jimmy Scott buht man nicht, man geht. So geschehen bei seinem JazzFest-Auftritt in Berlin 1995. Bleiben tun jene, die offen sind - für die schönsten Balladen der Jazzgeschichte und einen ihrer eigenwilligsten Interpreten.

Als er geboren wurde, hieß er James Victor, das war am 17. Juli 1925. Im Sternzeichen Krebs. Scott wuchs in einer kinderreichen Familie auf und nach dem frühen Tod seiner Mutter bei Pflegeeltern. Er leidet an einer seltenen Erbkrankheit, dem sogenannten Kallman-Syndrom, und profitiert davon mit seiner Stimme, sein Körper stellte noch vor dem Stimmbruch jedes Wachstum ein. Es heißt, dass Little Jimmy Scott, einer medizinischen Betreuung niemals bedurfte, um seine Knabenstimme zu behalten. Es heißt, dass man ihn für eine Frau in Männerkleidern hielt, und dass er gegen das schwule Image mit zahlreichen Frauenaffären anging. Und mit Alkohol.

Wenn Jimmy Scott von einem gemeinsamen Ausdruck spricht, der Jazz und Gospel verbindet, provoziert er die Trennung von ästhetischem und ethischem Statement. Die seriösen Gospel-Kirchen in der afroamerikanischen Community mögen auch heute noch als Orte taugen, in denen ein Gefühl für Wahrheit und Ehrlichkeit bedient wird, während Jazz-Clubs den Raum für die weltlich-kontemplative Variante des Themas bieten. Wie der call-and-response-Chorus aus einem Gottesdienst seiner Kindheit besingt Scott den Scheitern-und-Comeback-Zyklus seines Lebens. Jimmy Scott ist am Weihnachtsdienstag "The Voice" auf Radio Kultur um 18.30 Uhr.

Eigentlich war die Veröffentlichung von "When The Spirit Returns" schon für Herbst 1999 geplant, doch Lester Bowies schwere Krankheit und sein plötzlicher Tod verhinderten das. Das vergangene Jahr hatte mit einer vielversprechenden Bowie-Veröffentlichung, "Coming Home Jamaica" vom Art Ensemble Of Chicago, begonnen und sollte seine lang erwartete Rückkehr als Recording Artist einleiten. Und tatsächlich äußerte sich der Trompeter Bowie in einem seiner letzten Interviews auch recht zuversichtlich, dass der vermeintlichen Königs-Position seines Widersachers Wynton Marsalis jetzt angemessen begegnet werden könne. Für Bowie war Jazz nämlich eine junge Musik, die das experimentelle Stadium nie verlassen hat. Deshalb auch der Laborkittel, den er bei seinen Auftritten trug. Dass mit dem Tod Bowies vor einem Jahr eine der integersten und kämpferischsten Schlüsselfiguren des zeitgenössischen Jazz abhanden gekommen ist, wird mit "When The Spirit Returns" nun allzu deutlich spürbar. Ein Wiedersehen mit Lester Bowies letzter Band Brass Fantasy gibt es in der fünf Stunden langen WDR JazzNacht, die West III am Samstag ab 0.20 Uhr sendet.

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