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Joachim Löw

© Andreas Gebert/dpa

Joachim Löw und seine Biografie: Fußball ist unser Lesen

Im Oktober soll eine Biografie über Joachim Löw erscheinen. Inzwischen haben sich die Rahmenbedingungen allerdings ein wenig geändert. Und jetzt?

Was macht Joachim Löw denn nun? Außer, wie am vergangenen Wochenende, seinen geliebten Espresso in Freiburger Cafés trinken, „relaxed im T-Shirt und mit der obligatorischen Sonnenbrille“, wie die „Süddeutsche Zeitung“ in Erfahrung gebracht hat? Wirft er die Brocken nun hin? Oder erfüllt er seinen Vertrag, bleibt er Bundestrainer, bis zur EM 2020 oder der Weihnachts-WM 2022? So wenig gewiss das im Moment ist, so sicher dürfte sein, dass für Löw ein neuer Lebensabschnitt beginnt. Entweder geht er in den Vorruhestand, vielleicht auch noch mal ins osteuropäische oder afrikanische Ausland – oder er wird ein anderer Jogi Löw als Bundestrainer, ein Jogi, der, wir haben es in den vergangenen Tagen oft genug gelesen und gehört, „tiefgreifende Änderungen“ vorzunehmen bereit ist.

Jogi Löw ist, kurz vor oder kurz nach Horst Seehofer, der Mann der Stunde, anders als von ihm erwartet. Über den kann man gerade kaum genug lesen und in Erfahrung bringen. Eine Jogi-Löw-Biografie drängt sich da förmlich auf. Das Problem nur ist, dass diese „erste große Biographie über den Weltmeister-Trainer“, die der „Stern“-Sportreporter Mathias Schneider geschrieben hat, erst am 12. Oktober erscheint, im Ullstein Verlag.

Allein wie der Verlag auf gleich vier Seiten plus Programmcover dieses selbstverständlich „glanzvolle“, wenngleich höchstwahrscheinlich von  Löw nicht autorisierte „Porträt des Weltmeistermachers“ anteasert, zeigt, wie sehr es von der Zeit, der Aktualität eingeholt worden ist: „Seit dem Weltmeistertitel 2014 steht Joachim Löw nicht nur für einen der größten Erfolge der deutschen Fußballgeschichte, sondern auch für ein neues Fußball- Deutschland: stilvoll, bescheiden, offen.“ Diese Attribute mögen, bei aller Schönfärberei, bis einige Wochen vor der Weltmeisterschaft auf die deutsche Mannschaft, auf Löw, auf Fußball-Deutschland gepasst haben. Doch mit stilvoll (das Spiel?), bescheiden („die Mannschaft“?) und offen (man denke nur an die Özil-Gündogan- Debatte, die inzwischen demonstriert, wie rassistisch Fußball-Deutschland ist) hat es sich schneller gehabt als gemeinhin gedacht.

War die Veröffentlichung nicht sowieso unglücklich terminiert?

Natürlich dürfte Schneider einiges Wissenswertes über Löw zu erzählen haben. Er war ihm in seinem Heimatort Schönau auf den Spuren, er traf Förderer von Löw in Schaffhausen, er hat mit Spielern gesprochen, die Löw bei seiner ersten Trainerstation anleitete, mit ehemaligen und aktuellen Nationalspielern, mit Freunden, engsten Vertrauten und so weiter.

Und doch fragt sich, so rein marketingtechnisch, ob die Veröffentlichung dieser Biografie nicht sowieso unglücklich terminiert war. Ob nicht kurz vor der WM der günstigere, idealere Zeitpunkt gewesen wäre, um dieses Buch auf den Markt zu bringen. Man kann sich leicht vorstellen, wie Schneider jetzt, wie sicher vorher geplant, die Ereignisse der Weltmeisterschaft und nun eben das Ausscheiden der Nationalelf in sein Buch einarbeitet, dabei aber wohl manche seiner Einschätzungen von Löw revidieren muss – „eines Mannes, der sich in vielerlei Hinsicht treu geblieben ist“, wie das Ullstein-Programmheft weiß, eines Mannes, der nicht nur „Weltmeistermacher“ ist, sondern jetzt auch historischer deutscher Vorrundenausscheider.

Fußball ist ein „schnelllebiges Geschäft“, sagen die Experten immer. Das ergibt in Verbindung mit dem nicht weniger schnelllebigen Buchgeschäft gerade in der Abteilung des populären Sachbuchs eine ungute Kombination. Falls Joachim Löw also, bei der vom Verlag versprochenen Treue zu sich selbst eigentlich wider Erwarten, seinen Rücktritt verkünden sollte, ist er im Oktober schon ein Mann von gestern – und die Biografie über ihn nicht mehr bestsellertauglich.

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