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Kultur: Joe-guck-in-die-Luft

Alles ziemlich traurig. In „The Bookstore“ aus Marokko kehrt ein schweigsamer, fast verstummter Mann aus der Fremde wieder, weil seine große Liebe gestorben ist.

Alles ziemlich traurig. In „The Bookstore“ aus Marokko kehrt ein schweigsamer, fast verstummter Mann aus der Fremde wieder, weil seine große Liebe gestorben ist. In „Broken Wings“ reißt es beinahe eine israelische Familie auseinander, weil mit dem Tod des Vaters die Mitte abhanden gekommen ist. Am Anfang von Christian Petzolds „Wolfsburg“ steht ein Autounfall, bei dem der Sohn der Protagonistin umkommt – und damit scheint auch der Sinn ihres Lebens abzusterben. Das portugiesische Roadmovie „Mulher Polícia“ beginnt mit der melancholischen Ehefrau am Grab ihres Mannes. Den gesamten Film hindurch hängt das dunkle Gefühl der Trauer über ihrem Gesicht wie ein schwarzer Schleier. Und zu Beginn von Brad Silberlings Moonlight Mile bricht eine Trauergruppe zu einem Friedhof auf: die Tochter und Braut – ermordet drei Tage bevor die Handlung einsetzt – muss begraben werden. Trauer und Melancholie ist das heimliche Thema im „Panorama“ dieses Jahr. Verlust, Vergänglichkeit und Vereinsamung umspannen die ganze Welt.

Trotz der Starbesetzung mit Dustin Hoffman, Susan Sarandon und Holly Hunter ist Silberlings amerikanischer Beitrag dabei der uninteressanteste. Silberling, der den „Himmel über Berlin“ zu einer Schmonzette herabdimmte, leistet in diesem Film späte Trauerarbeit – 14 Jahre nachdem seine damalige Verlobte, die Schauspielerin Rebecca Schaeffer, ermordet wurde. Daran einen Film anzulehnen, ist sein gutes Recht. Aber dieser autobiografische Einfluss könnte der Grund dafür sein, dass der Film so wenig Schmerzen zu zeigen bereit ist und so aufgeräumt und frohgemut endet.

Die Geschichte von „Moonlight Mile“ erinnert an Todd Fields „In the Bedroom“. Doch von dessen emotionaler Brutalität ist Silberlings Film Mondlichtmeilen entfernt. Der Film spielt Anfang der 70er Jahre in einem Dorf in New England. Aber mit Ausnahme des Hundenamens „Nixon“ und eines vermissten Vietnamsoldaten dient der Sprung in die Vergangenheit nur als Anlass für ein paar braune Sakkos und als Musicbox für einige Rocknummern – darunter der Titelsong der „Rolling Stones“. Wäre der Film ambitionierter, hätte er versucht, die persönliche Trauer des Vordergrunds und das nationale Trauma des Hintergrunds ineinander zu schieben. Statt dessen bleibt alles – ja, sehr vordergründig.

Was auch für die Darsteller gilt: Dustin Hoffman – halb handlungsreisender Willy Loman, halb Rain Man – manieriert den Familienvater kauzig vor sich hin. Holly Hunter in ihrer Nebenrolle als Anwältin: verschenkt. Und Susan Sarandon bekommt als ruppige Mutter nicht mehr als ein paar gute Zeilen. Deshalb muss der in Deutschland noch unbekannte Jake Gyllenhaal (neben Dustin Hoffman auf dem Bild, Foto: Berlinale), eine Art stämmiger Tobey Maguire, weitgehend allein den Film schultern. Was ihm erstaunlich gut gelingt. Eine Entdeckung. Sein trauernder Joeguck-in-die Luft wird durch den Film geschubst, als wüsste er nicht, was ihm geschieht. Dabei würde er nach dem Tod der Verlobten am liebsten stehen bleiben und in den Himmel starren. Joe versteht die Welt nicht mehr. Alles ziemlich traurig für ihn. juh

Heute 19 Uhr (Zoo Palast), morgen 11.30 Uhr (Cinemaxx 7), 16. 2. 19 Uhr (Zoo Palast)

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