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Kultur: Johan Söderberg und Co-Regisseur Erik Pauser cutten und scratchen Filme wie HipHop-DJs an ihren Plattenspielern

Früher reisten die Hippies noch mit Sack und Pack. Bands wie "Embryo" oder das "Minus Delta t" stiegen in ihre umgebauten Lkw und fuhren durch die Wüste.

Früher reisten die Hippies noch mit Sack und Pack. Bands wie "Embryo" oder das "Minus Delta t" stiegen in ihre umgebauten Lkw und fuhren durch die Wüste. Sie suchten die Begegnung mit asiatischer und arabischer Kultur, drehten Filme, veranstalteten Konzerte, brachten Tondokumente mit. Das war in den Siebzigern und Achtzigern. Am Ende der Neunziger geht das anders. Das schwedische Projekt "Lucky People Center" geht zwar auch auf Reisen, doch einen großen Teil seines globalen Patchworks schneidet es aus Video- und TV-Material zusammen, die Musik entsteht im Studio.

"Lucky People Center" war einmal ein illegaler Techno-Club. Heute ist es ein Kunstprojekt, das seine Video-Installationen bei der documenta in Kassel oder im Pariser Centre Pompidou zeigte und CDs veröffentlichte. Letztere waren ähnlich Message-gesättigt wie der harte Marxismus-Beat von Consolidated aus San Francisco.

Johan Söderberg, einer der beiden Regisseure dieses Films, hat den Club in Göteborg in den Achtzigern eröffnet. Wie viele Techno-Heads der ersten Zeit, pflegt auch er offenbar einen Hang zu Schamanismus und ekstatischen Ritualen. Tanzen gilt ihm als Konstante in allen Kulturen, als Schlüssel zu spiritueller Energie. Singen und Tanzen gehört zum Menschsein, ob nun beim Voodoo-Ritual in Afrika oder bei der juten alten Love Parade. Tanzen ermöglicht das richtige Leben im falschen.

Der Film "Lucky People Center International" vernäht Fetzen aus 20 Ländern zu einem globalen Patchwork: asiatische Mönche, die stoisch ihre Trommel schlagen, Indianer, die ihre Ahnen anrufen, Yogis in unglaublichen Verknotungen, russische Aktionskünstler. Söderberg und Co-Regisseur Erik Pauser haben die Statements gecuttet und gescratcht wie HipHop-DJs an ihren Plattenspielern.

Egal, ob ein tibetischer Buddhist den Unterschied zwischen blindem Glauben und intelligenter Hingabe erläutert oder Schulmädchen erklären, dass man ruhig bei Rot über die Ampel gehen kann. Egal, auf welche Gottheit sie stehen - Rama, Xang, Brahma, Shiva oder Allah -, ihre Statements zum irdischen Glück werden geschnitten auf pulsierende Elektro-Musik. Die 80-minütige Weltreise wird zu einem 80-minütigen Video-Clip.

Nur gelegentlich ruht der Groove. Zum Beispiel bei den Maori-Kriegern in Neuseeland: Die Männer wappnen sich mental, indem sie gemeinsam ansingen gegen die Macht der Kreditkarte. Nicht nur Chakren, auch Charaktere sind zu sehen: wie der Mann, der mit den Gibbons spricht. Gibbons singen jeden Morgen ein Duett. Der Mann hat die Gesänge der Affen selbst probiert und war danach berauscht von seinen Endorphinen.

Gerade wegen seiner suggestiven Bilder, die sich wenig um stringente Argumentation scheren, wirkt der Film etwas zeigefingrig. Muss man den typischen japanischen Angestellten, Inbegriff des entfremdeten, insektenhaften Angestellten, tatsächlich im Kontrast zu einem Yogi sehen? Da rennt der Film offene Türen ein. Oder offene Schenkel wie die von Annie Sprinkle, die fragt: "Warum gibt es Denkmäler für Leute, die töten, aber nicht für Leute, die phantastische Orgasmen haben?" Tja.Babylon (OmU), Blow Up, Filmbühne am Steinplatz (OmU)

Ralph Geisenhanslüke

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