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Tohuwabohu. In Burgerts Bildern mischen sich moderne Gestalten mit archaischen Figuren.

© dpa

Jonas Burgert in der Galerie Blain Southern: Die Traummaschine

Jonas Burgerts pinselhaarfein gemalten Riesengemälde provozieren. Mit „Zeitlaich“ zeigt er in der Galerie Blain Southern sein Opus magnum.

Die Malerei ist aus der Zeit gefallen und enthält sich Referenzen an tagespolitische Themen und Zeitgeist. Dennoch provozieren die riesigen, oft pinselhaarfein gemalten und an Perfektion kaum zu überbietenden Gemälde von Jonas Burgert beunruhigende Gefühle. Sie zeigen bittersüße Szenen, surreal und apokalyptisch, betörend schön und etwas bedrohlich zugleich.

Für seine aktuelle Schau in der Galerie Blain Southern hat er mit „Zeitlaich“ nicht nur formal sein Opus magnum geschaffen. In dem 22 Meter langen Werk mischen sich Versatzstücke einer modernen Gesellschaft mit archaischen Figuren. Das ist typisch für Burgerts Werk, in dem exotische Gestalten mit seltsamen Gewändern alten Daguerreotypien oder den Gemälden eines Delacroix und Géricault entsprungen sein könnten. Sie gesellen sich zu Figuren, deren Dresscodes der heutigen Zeit entsprechen. Elemente diverser Epochen werden wie in einem Traumgenerator zu denkwürdigen Szenen komponiert. Das Ergebnis ist ein Tohuwabohu. Doch bevor das Unterfangen einer Entschlüsselung beginnt, überwältigen die betörenden Farben, mal gedeckt, scheckig und dann wieder pointiert und hell leuchtend eingesetzt.

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„Zeitlaich“ zeigt eine Halle mit schier unüberblickbar chaotischem Gewimmel, an dem Tier und Mensch gleichermaßen beteiligt sind. An den Seiten entwirrt sich das Geschehen, die Situation wird überschaubarer. Während rechts das amerikanische Modell eines Cabriolets auf den Stufen in den Saal hinab liegenblieb, gibt es linkerhand Einblick in ein mehrstöckiges Gebäude mit Wohnräumen. Dort sitzt ein Paar und scheint das Treiben misstrauisch zu beäugen. Die Zeit laicht, sie gebiert unterschiedliche Wirklichkeiten, denen sich Burgert unter Einbeziehung der eigenen Reflexionen stellt. Links von der Mitte steht eine männliche Figur im Anzug und hält diverse Strippen und Bänder in den Händen, die sich in dem undurchdringbaren Geschehen verlieren. Hat hier einer die Kontrolle verloren? Der Saal könnte eine Analogie zu Burgerts Studio sein, dessen Raumhöhe er für die Produktion bis auf den letzten Zentimeter genutzt hat.

Der 1969 in West-Berlin geborene Künstler beendete sein Studium an der Universität der Künste als Meisterschüler von Dieter Hacker. Der empfahl seinen Studenten immer, sich zusammenzuschließen, um nicht von Galerien und Kuratoren abhängig zu sein. Mit Ingolf Keiner hat Burgert fünf Jahre lang unter dem Titel „Fraktale“ Gruppenausstellungen organisiert. Die letzte fand 2005 zum Thema Tod im Palast der Republik statt. Schon damals waren seine traumwandlerisch guten, aber auch rätselhaften Gemälde zu bewundern. Mittlerweile wird der Künstler vor allem im Ausland gefeiert, hatte aber noch keine museale Einzelausstellung in Berlin. Doch selbst wer für gewöhnlich eine eher coole Malerei schätzt, die ironisch, distanziert und mit deutlich dechiffrierbaren Anspielungen gespickt ist, der kann sich der farblichen Opulenz, der Genauigkeit der Figuration und der surrealen Dramaturgie von Burgerts Szenen nicht entziehen.

Galerie Blain Southern, Potsdamer Str. 77–87; bis 29. 7., Di–Sa 11–18 Uhr

Matthias Reichelt

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