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The artist is not present. Jonathan Lasker nimmt sich aus seinem Werk oft heraus. Ansicht der Schau.

© hiepler, brunier

Jonathan Lasker: Kalt gemalt

Die Galerie Thomas Schulte in Mitte zeigt neue Bilder von Jonathan Lasker. Er ist auf dem Höhepunkt seiner Karriere angekommen.

„Meine Bilder sind sehr mühsam zu malen“, sagt Jonathan Lasker. Der langwierige Prozess ist der Leinwand tatsächlich anzusehen. Dicke Ränder gespachtelter Ölfarbe ragen ineinander. Ölfarbe, die in dieser Zentimeterdicke eine gefühlte Ewigkeit braucht, bis sie wirklich trocken ist. Lasker, 1948 in Jersey City geboren, ist Maler – aber er plant seine Bilder minutiös, beinahe wie ein Architekt. Bekannt geworden ist er dank seiner einzigartigen Bildsprache: Immer wieder auftauchende geometrische Formen vermitteln trotz der Sterilität der Komposition ein Gefühl von Textur und Räumlichkeit.

Räumlichkeit – vielleicht das wichtigste Stichwort in Laskers Arbeiten. Er komponiert die geometrischen Formen, schiebt sie zueinander wie Puzzleteile. Die dicken Farbschichten, deren Oberflächen wie von Venen durchzogen scheinen, hauchen der nüchternen Komposition Leben ein – aber auch nicht mehr, eben nur einen Hauch. „Viele Leute konnten seine Bilder deswegen früher nicht ertragen“, erzählt Galerist Thomas Schulte, der gerade die zweite Ausstellung mit neuen Werken von Lasker zeigt (Charlottenstr. 24; bis 29. 6., Di–Sa 12–18 Uhr). „Ich habe dazugehört. So klinisch, so tot“ hätten sie anfangs auf ihn gewirkt. Dann aber hat sich bei Schulte der Schalter umgelegt.

Die Stimmung der Bilder hat sich verändert

Laskers jüngste Bilder sind – auch dank der Farbpalette, die sich von Ocker zu Gelb, Lila, Hellblau und Rosa bewegt – etwas weniger kalt als seine früheren Arbeiten, wenn auch noch weit entfernt von Wärme. Woher der leise Wandel? Der Künstler zuckt mit den Schultern. „Für mich ist das Ganze ein Prozess“, sagt er. „Ich habe mir Bilder von mir aus den achtziger Jahren angesehen und wollte ihnen etwas Neues hinzufügen, habe sie quasi für mich zeitgenössisch gemacht.“

Neu an diesen Bildern ist, dass sie komplett von ihm selbst gemalt wurden. Bei früheren Werken zeichnete er eines seiner „Markenzeichen“, eine abstrakte, gestische Spur, vor und ein Assistent füllte die Linien aus. „Er wollte sichergehen, dass keinerlei Vibration mehr im Pinselstrich lag, dass sie wirklich wie tot gemalt wurden“, meint Schulte. Dass Lasker sich beinahe komplett aus dem eigenen Werk herausnimmt – das zumindest scheint sich ein wenig verändert zu haben. Es steckt ein Stück mehr vom Künstler im fertigen Bild, der Ton hat sich verändert: „Ich wollte etwas Leichteres diesmal. Vielleicht daher auch die neue Farbpalette“, sagt der Künstler.

Umgekehrte Metapher

Seine Bilder sind riesig, haben etwas Erschlagendes in ihrer gnadenlosen Geometrie (Preise: 25 000–180 000 Dollar). Der Weg von der Idee bis zum fertigen Bild ist lang. „Ich habe irgendwann aufgehört, ihn nach neuen Bildern zu fragen“, erklärt Galerist Schulte. „Der Fertigstellungsprozess dauert ewig.“ Jonathan Lasker beginnt mit einer Zeichnung, kleinformatig, mit Etüden. Erst wenn die Miniatur perfekt funktioniert, übersetzt er sie auf die große Leinwand.

Ein klassisches Element seiner Bilder, dem er auch jetzt treu geblieben ist, ist die Hintergrundfarbe. Sie schimmert unter einer zweiten Farbschicht durch, deren Reste sich an die sich entblätternden Ränder der Ölwulste klammern. Unvermutet auch: In den so nüchtern wirkenden Geometriestudien schwingt leise Ironie mit. So wird bei näherem Hinsehen deutlich, dass die Form im Hintergrund, die sich dem Publikum als dicke Farbschicht entgegenwölbt, zuletzt gemalt wurde, die im Vordergrund zuerst. „Ein bisschen wie eine umgekehrte Metapher“, sagt Lasker und lacht.

Höhepunkt der Karriere

Er ist weit gekommen: Der ehemalige Musiker – „Ich blicke auf eine gescheiterte Karriere als Bassgitarrist in Großbritannien zurück“ – ist mittlerweile ein renommierter Maler, der in New York lebt und arbeitet und es gewagt hat, sich und sein Werk im Alter von 71 Jahren neu zu interpretieren, noch mal einen großen Schritt zu machen.

Flankiert wird der Eingang zur Galerie von zwei riesigen Twister-Skulpturen der amerikanischen Bildhauerin Alice Aycock. Die Werke beider verbindet neben der Herkunft beider Künstler die architektonische Herangehensweise – auch wenn Lasker in hermetischen Räumen arbeitet, während Aycock lieber draußen unterwegs ist. Und: Sie sind beide wohl auf dem Höhepunkt ihrer Karriere und mutig genug, diesen weiteren, großen Schritt ins Ungewisse zu gehen, die Sicherheit des bereits Bekannten zu verlassen.

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