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Jochen Kowalski.

© DUMMER

Jüdische Kulturtage: Kowalski singt Kowalski

Auftaktkonzert der Jüdischen Kulturtage mit Jochen Kowalski und dem Vogler-Quartett in der renovierten Synagoge Rykestraße

Ohne Scheu vor Naivität stellt sich Jochen Kowalski die vier Komponisten im Komponistenhimmel beieinandersitzend vor, die an diesem Abend auf der Erde zur Aufführung kommen. Vier Helden nennt er sie liebevoll in seiner Moderation und imaginiert, dass sie dem Konzert zuhören. Vereint, vier jüdische Schicksale, denn es geht um die Eröffnung der Jüdischen Kulturtage Berlin, und das utopische Bild des Sängers hat hier sensible Bedeutung. Prächtig strahlt die renovierte Synagoge Rykestraße, vollbesetzt, um mit Musik zugleich den 110. Geburtstag des Backsteinbaus zu feiern, dessen Geschichte durch Pogromnacht und Holocaust gegangen ist.

Das Vogler-Quartett, seit fast dreißig Jahren in beredtem Zusammenspiel vereint, so dass es virtuos flüstern, singen und jubilieren kann, macht den Auftakt mit dem sechsten Streichquartett von Mendelssohn Bartholdy. Kriegsdienst im Ersten Weltkrieg leisteten sowohl Paul Dessau als auch Erwin Schulhoff, dieser bezahlte 1942 im Lager Wülzburg eine verunglückte Emigration mit dem Leben. Sein erstes Streichquartett bekundet mit dem vital geschwinden „Allegro giocoso alla slovacca“ und dem stillen Ausklang eine starke Vorstellungskraft des Komponisten, der unter den Verfolgten des Naziregimes besondere posthume Würdigung erfährt. Von Dessau trägt Kowalski sechs Lieder aus einer Bühnenmusik zu Goethes „Faust“ vor, die kurz nach der Rückkehr des Komponisten aus der Emigration entstand. Den Refrain der „Ratt’ im Kellernest“ in Auerbachs Keller singen die Vogler-Musiker mit. Es handelt sich um ein Arrangement der Lieder von Uwe Hilprecht, einem Experten für Liederabende mit Schauspielern.

Hier kombiniert er Klavier, Streichquartett und Altus, doch fraglich erscheint, ob die hohe Stimmlage Kowalskis für den Stil der Gesänge besonders tauglich ist. Das gilt ebenso für „Zwölf Gedichte aus Pierrot Lunaire von Albert Giraud, deutsch von Otto Erich Hartleben“. Überraschung: Ihr Schöpfer Max Kowalski (1882–1956) vertont die Gedichte, in teilweise anderer Auswahl, die auch Arnold Schönbergs berühmtem Melodram zugrunde liegen.

Aber die Wiederentdeckung seines jüdischen Namensvetters Max Kowalski, Rechtsanwalt (mit einem offenbar erfolgreichen Dienst an Schönberg in einem Rechtsstreit) und Komponist, dem im Leben wenig Glück beschieden war, macht Jochen Kowalski stolz. Zwar ist auch dieser Musiker, der vor 1933 in Deutschland erfolgreich war, dem agilen Förderverein Musica reanimata nicht fremd, aber des Sängers Novität beruht auf einem Flohmarktfund. Die Musik des Liedkomponisten schmunzelt („Der Mondfleck“), verrät gutes Können, zarte Harmonien, unterhaltsamen Tiefgang. Eine Liebesbeziehung des Interpreten: „Wir – Jochen und Max“, verwandt allerdings sind sie nicht.

Jüdische Kulturtage, bis 14. September, mehr zum Programm im Internet unter: www.juedische-kulturtage.org

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