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Jürgen Klauke in der Galerie Baudach: Alle meine Seiten

Spiel mit normierten Genderidentitäten: Die Galerie Guido W. Baudach rekapituliert das fotografische Werk von Jürgen Klauke von 1972 bis 2016.

„Bathroom Bill“ und die Toilettendebatten in den USA. Dass die Frage, welches WC eine überschaubare Zahl an Transgender-Menschen benutzen darf oder soll, so hoch gehängt werden konnte. Anschließend die Frage, ob sie so hoch hätte gehängt werden dürfen – quasi der Diskurs über den (Trans-)Genderdiskurs: Es könnte die Stunde des Jürgen Klauke sein. Der ist natürlich ein bekannter Künstler. Aber könnte, sollte, müsste er nicht noch viel bekannter sein? Das Spiel mit den normierten Geschlechteridentitäten betreibt er doch schon seit den siebziger Jahren.

1983 sah der damals 17-jährige Schüler Guido W. Baudach in einer Kölner Künstlerkneipe ein Plakat von Klaukes Arbeit „Schussfolge/Schlussfolge“ (1976). Letzterer hantiert da mit einem Revolver, mit dem Plakat wurde möglicherweise eine Ausstellung beworben, Baudach weiß es nicht mehr so genau. Aber doch, wie sehr ihn das Plakat damals gebannt hat. Später wurde Baudach dann Galerist in Berlin, und noch später wurde er der Berliner Galerist von Jürgen Klauke. Jetzt zeigt er in der Ausstellung „Bewegtes Ich“ sein ganz persönliches „Best of Jürgen Klauke 1972 bis 2016“ – aus den verfügbaren Arbeiten, denn es ist eine Verkaufsausstellung mit Preisen von 9600 bis 108 000 Euro.

„Schussfolge/Schlussfolge“ war nicht verfügbar, dafür „Animalischer Tisch“: Die großformatige Fotografie eines wie ein Mobile an Fäden hängenden Tischs, dessen Beine mit ballonartigen, mit Flüssigkeit gefüllten Gebilden beschwert sind, hing jahrelang in Klaukes Kölner Wohnatelier. Baudach ist x-mal daran vorbeigelaufen. Es ist eines der wenigen Werke, auf denen Klauke nicht selbst zu sehen ist. Wenn seine vorrangigen Mittel die Fotografie, Body-Art und Performance sind, heißt das nicht so sehr, dass er mal das eine und mal das andere praktiziert. Vielmehr fotografiert ein Assistent Klauke bei Body-Art und – nicht öffentlicher – Performance.

Manche Sequenzen würden auch als Daumenkino funktionieren

Dass die Fotografien jener Teil der Kunst sind, der anschließend verkauft wird, qualifiziert sie nicht zur bloßen Dokumentation und auch nicht zur Fotokunst in einem herkömmlichen Sinn. Klaukes erstes Ausdrucksmittel, Ausdrucksträger ist sein eigener, früher androgyner Körper, ist er selbst – ohne dass er deshalb mit den Figuren seiner Bilder identisch wäre, die keine Selbstporträts sind. Konsequenterweise sind die Fotoarbeiten in der Mehrzahl keine Einzelbilder, sondern Tableaus und Sequenzen. Manche würden auch als Daumenkino funktionieren. Zum Beispiel die Sequenz in neun Bildern „Es war ein schöner Tag, als ich dachte ...“: Jürgen Klauke mit blauem Luftballon in der Rolle des Dandys, in weißem Sakko und rosafarbener Hose, auf rosafarbener Chaiselongue, vor rosafarbener Wand. So viel Farbe ist selten, früher bevorzugte Klauke die Schwarz-Weiß-Fotografie, spätere Arbeiten sind oft vor nachtblauem Hintergrund aufgenommen.

Ob die neueste Arbeit der Schau ein Beitrag zum Luther-Jahr sein soll? „Luthers Stuhl“ zeigt eine Kloschüssel auf Podest. Womit wir wieder bei der Toilettenfrage angekommen wären. Das könnte so schön plakativ sein – aber was soll der große Luftballon oder Gummiball in der Kloschüssel? Hätte Klauke die Kloschüssel nicht stattdessen aus Gold fertigen und ins Guggenheim Museum stellen können? Allein unter dem Aspekt des Marketings? Wahrscheinlich ist Klauke genau so bekannt, wie er nach seinen Möglichkeiten nur sein kann. Das spricht nicht gegen ihn und seine Kunst.

Galerie W. Baudach, Potsdamer Straße 85; bis 10. 6., Di–Sa 11–18 Uhr

Jens Müller

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