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Trockener Flussbett in Kalifornien. Der goldene Staat kämpft seit Langem mit Wasserknappheit.

© imago/Zuma Press

Jugendroman „Dry“ von Neil & Jarrod Shusterman: Wenn das Wasser knapp wird

Neil Shusterman und sein Sohn Jarrod legen mit „Dry“ einen verstörenden Jugendroman aus Kalifornien vor.

Anfang Juni ist es sehr heiß in Kalifornien. Als Alyssa den Wasserhahn aufdreht, kommt kein Tropfen. Arizona und Nevada sind ohne Vorwarnung aus dem Stausee-Hilfsprogramm ausgestiegen, weil sie das Wasser selbst benötigen. In den Nachrichten wird verbreitet, dass die Ressourcen aller Wasserdistrikte an Einrichtungen der „kritischen Infrastruktur“ umgeleitet werden – aber das sei nur eine vorübergehende Maßnahme. Vor allem sei bei diesem „Tap out“ nun Ruhe zu bewahren. Doch das fällt schwer, wenn in allen Läden Flaschen und sonstige Behälter mit Wasser von jetzt auf gleich ausverkauft sind.

Als ihre Eltern von einer Expedition zu einer Meerwasserentsalzungsanlage nicht mehr zurückkehren, können die sechzehnjährige Alyssa und ihr zehnjähriger Bruder Garret nur noch auf den Nachbarjungen Kelton hoffen. Er ist seit Langem in Alyssa verliebt, wurde aber von ihr immer ignoriert. Zusammen mit seinem sich schon seit Jahren auf eine solche Katastrophe vorbereitenden „Prepper-Vater“ galt er bestenfalls als seltsam …

Neil Shusterman und sein Sohn Jarrod legen mit „Dry“ (aus dem Amerikanischen von Pauline Kurbasik und Kristian Lutze, Fischer Sauerländer Verlag, Frankfurt am Main 2019, 437 Seiten, 15 €) einen dystopischen Jugendroman vor, der in seinen wesentlichen Aussagen zu überzeugen vermag und bis zur letzten Seite die Spannung aufrechterhält.

Vor Durst wahnsinnige Menschen machen vor nichts mehr Halt

Kalifornien muss tatsächlich schon seit Langem große Anstrengungen zur Sicherung seiner Wasserversorgung unternehmen. Ein „Tap out“ liegt somit durchaus im Bereich des Möglichen – im Original Anfang Oktober 2018 erschienen, dekliniert das Buch bereits so überzeugend wie detailreich die bisherigen Verdrängungsmechanismen in Sachen Klimawandel und die daraus folgenden Schreckensszenarien der Fridays-for-future-Protestbewegung durch.

Alyssa, ihr Bruder Garret und Kelton bilden zusammen mit der etwas älteren Überlebenskünstlerin Jacqui und dem geschäftstüchtigen Henry eine Art Überlebensquintett. Die meisten Kapitel werden im Wechsel jeweils aus der Perspektive der vier Jugendlichen erzählt. Jeder von ihnen hält sich bedeckt, und so lernen sie erst sehr spät einander wenigstens teilweise zu vertrauen. Dazwischen finden sich gleichsam wie Schnappschüsse Einsprengsel von dem Geschehen an anderen Orten, die nicht zuletzt die Ausweitung des Problems verdeutlichen helfen.

Neil & Jarrod Shusterman: Dry. Fischer Sauerländer Verlag, Frankfurt am Main 2019.
Neil & Jarrod Shusterman: Dry. Fischer Sauerländer Verlag, Frankfurt am Main 2019.

© Cover: promo

Der Gebrauch nur allzu zahlreich griffbereiter Schusswaffen wird anfangs vor allem von Alyssa noch kritisch gesehen, ist aber in Notwehrsituationen nicht mehr vermeidbar. Und die zeichnen sich bald ab, da außer den erwähnten Preppern niemand einen ausreichenden Wasservorrat angelegt hat und nach wenigen Tagen vor Durst wahnsinnige Menschen vor nichts und niemanden mehr Halt machen.

Einzig wie fokussiert das Quintett mit seinen Belastungen von Anfang an umgeht, wirkt weniger realistisch als in ihrer zufälligen Zusammensetzung allein der Dramaturgie geschuldet. Insgesamt aber ist das Buch spannend bis zur letzten Seite und zur Unterhaltung über ein immer dringlicher werdendes Thema zu empfehlen.

Ulrich Karger

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