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Ein Leben für ein Jahr.

© Fischer

Jugendroman: Was bin ich?

Pubertäre Endzeit: der Thriller „Einzig“ von Kathryn Evans

Teva ist sechzehn Jahre alt und führt nach außen hin das ganz normale Leben einer Schülerin mit bester Freundin, einem Freund und allem anderen, was einem Mädchen dieses Alters wichtig ist. Doch dem Normalen, wie ihren über das sechzehnte Lebensjahr hinausgehenden Studien- und Berufsplänen, steht entgegen, dass spätestens mit ihrem siebzehnten Geburtstag eine andere Teva ihren Platz einnehmen wird. Sie hingegen wird dann wie ihre Vorgängerversionen im Alter von 6 bis 15 Jahren zu Hause bleiben müssen und von Mutter analog zu ihnen nur noch mit ihrer Altersstufe „Sechzehn“ angesprochen werden. Jeder Mensch wird nur 365 Tage alt, das ist die Regel. Teva will sich nicht damit abfinden. Nachdem Siebzehn in ihrem Körper bereits erste Signale sendet, beginnt sie einen Kampf, bei dem Teva am Ende nicht nur ihre Identität sondern auch ihr Leben verlieren könnte.

Die britische Schriftstellerin Kathryn Evans veröffentlicht mit „Einzig“ ein gelungenes, nur an einigen Stellen überzogenes Jugendroman-Debüt. Doch vom Verlag als „einzigartige Mischung aus Thriller und Sci-Fi“ beworben, bleiben die Science-Fiction-Anteile des Plots – selbst auf eine ferne Zukunft hochgerechnet – bis zuletzt reine Behauptung. Als Zukunftsvision ist „Einzig“ blass, als atmosphärische Gegenwartsbeschreibung aber stark.

Auf die Heldin Teva und die angedachte Leserzielgruppe ihrer Geschichte bezogen, ist das gentechnische Wie für die unterschiedlichen Versionen ein und derselben Person vermutlich von nachrangiger Bedeutung. Es geht ja nicht um Wissenschaftskritik. Der Fokus liegt vielmehr auf den Folgen der Forschung für Teva, die die Autorin fesselnd aus der Ich-Perspektive schildert. Da sind Tevas von Fünfzehn „übernommene“ Liebe zu Olli, die an Grenzen und auf die Eifersucht von Fünfzehn stößt, die Unmöglichkeit, ihre beste Freundin Maddy zu sich nach Hause einzuladen, oder die Prüfungsarbeiten für ein späteres Studium, das dann nicht sie, sondern ihre Nachfolgeversion antreten könnte. Als ihr Körper mutiert, der Nagel des Zeigefingers und schließlich der ganze Zeigefinger sich zu verdoppeln beginnt, kippt die Stimmung ins Mysteryhaft-Gruselige.

Die Einzigartigkeit jedes Menschen und das Geliebtwerdenwollen um seiner selbst willen, das sind für pubertierende Jugendliche natürlich unbedingt Themen. Gentechnologie bedroht die Singularität auf geradezu brutale Art und Weise. Wer bin ich? Bin ich allein? Oder bin ich viele? Die Ängste von Heranwachsenden bekommen in Zeiten der technischen Reproduzierbarkeit von Gottes Schöpfung einen ganz neuen Dreh. „Einzig“, durchaus kämpferisch geschrieben, ist ein Buch, das keine Antworten weiß, aber die richtigen Fragen stellt.

Kathryn Evans: Einzig. Thriller. Aus dem Englischen von Sabine Reinhardus. Fischer Taschenbuch Verlag, Frankfurt a. M. 2017. 364 Seiten. 12,99 €. Ab 13 Jahren.

Weitere Rezensionen finden Sie auf unserer Themenseite.

Ulrich Karger

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