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We will rock you! Das Ensemble mit Marco Billep, Frederieke Haas, Thomas Borchert und Michael Ernst (von links).

© Derdehmel/Urbschat

Jukebox-Musical "Ich bin nicht Mercury“: Wer auf Freddie steht, ist nicht gleich eine Queen

Dezibelrekord im Schlosspark-Theater: Das Jukebox-Musical "Ich bin nicht Mercury" feiert die Songs der größten Popband der Welt als schillernde Revue.

Man hat in Dieter Hallervordens schönem Schlosspark-Theater mittlerweile ja so einiges erlebt. Aber Rockkonzert-Atmosphäre, jung gebliebene Damen jenseits der 60, die immer wieder „I like it!“ und „Wooo!“ rufen, schließlich ein Publikum in Mitklatsch-Ekstase und Standing-Ovation-Bereitschaft – das gab’s noch nicht. Was daran liegen muss, dass noch die munterste Komödie oder die ansehnlichste Rolf-Hochhuth-Inszenierung eben schwer mit der emotionalisierenden Kraft von Musik konkurrieren können.

Okay, vor vier Jahren entfachte im Steglitzer Parkett schon mal das Liederdrama „Day by Day“ um Diva Doris (mit einer beachtlichen Angelika Milster in der Titelrolle) dezibelstarke Beifallsstürme. Aber die Produktion „Ich bin nicht Mercury“ schafft definitiv neue Bestmarken auf dem hausinternen Stimmungsbarometer.

Spiegel der spannungsreichen Bandgeschichte

Verantwortlich für die umgreifende Beseeltheit im Schlosspark-Theater sind – der Titel lässt es schon erahnen – die Songs der guten alten Band Queen und ihres Frontmanns Freddie Mercury. Um sie herum hat Regisseur Thomas Schendel so etwas wie ein Story-Gerüst gezimmert, das genug Anlass gibt, mit den Hits der britischen Chart-Stürmer aufzutrumpfen. Zum Glück ist er nicht auf die Idee gekommen, sein Ensemble die Rollen von Freddie Mercury, Brian May, Roger Taylor und John Deacon spielen zu lassen. Das hätte peinlich werden können, zumal ja gerade erst Bryan Singers Film „Bohemian Rhapsody“ die spannungsreiche Bandgeschichte erschöpfend ausgeleuchtet hat, mit einem phänomenalen Rami Malek als Hauptdarsteller.

Nein, hier geht es um eine vierköpfige Cover-Combo aus Vokalkünstlern, die für eine kurz bevorstehende Aufnahme von Queen-Songs proben. Und die sich dabei wieder immer Zigaretten- und Scharmützel-Pausen gönnen, um zwischenmenschliche Befindlichkeiten aufzuarbeiten, in denen sich Motive der Freddie-Biographie spiegeln. Der allürenreiche Chris im goldenen Glitzerhemd (Thomas Borchert) hat ein Techtelmechtel mit der Kollegin Lisa (Sophie Berner), obwohl er eigentlich schwul ist. Was er auch schon lange weiß, wie er kurz vor der Performance von „Bicycle Race“ gesteht. Schon in jungen Jahren fühlte er sich sexuell zum Sturmriesen aus „Peterchens Mondfahrt“ hingezogen (Warum nicht zum Hagelhans? Tja, unergründlich sind die Trigger menschlichen Begehrens)

"Dein Lachen hat mich geil gemacht"

„Stehst du deshalb auf Mercury?“, will Lisa verletzt wissen. „Dann müsste ich ja auch auf Boy George stehen. Tu ich aber nicht!“, gibt Chris schlagfertig zurück. Der ruppige Familienspießer Ken (Marco Billep) wiederum, der aus seiner Homophobie keinen Hehl macht, hätte Lisa auch gern für sich gewonnen – holt sich allerdings eine deutliche Abfuhr. Wohingegen Frank (Michael Ernst), der fortwährend Pillen schluckt und mutmaßlich aidskrank ist, schon lange heimlich für Chris schwärmt. Was er ihm schließlich auch offenbart. Mit dem bemerkenswerten Satz: „Dein Lachen hat mich geil gemacht“. Man sieht schon, hier steckt jede Menge Zunder drin.

Die Geschichte spielt aber letztlich eine nebengeordnete Rolle. Der Abend lebt ausschließlich von den Stimmkünsten des Ensembles, wobei vor allem Musical-Star Thomas Borchert, bekannt unter anderem als „Graf von Monte Christo“ und Schöpfer der Show „Rock it!“, sowie die Chanson-Sängerin Sophie Berner (die fabelhafte Sally Bowles in „Cabaret“ – sie spielt in der Mercury-Show alternierend mit Frederieke Haas) hervorstechen.

Im Rücken haben sie die UnderPressured-Rockband, die aus dem musikalischen Leiter Harry Ermer, Schlagzeuger Philipp Schmitt, Bassist Sebastian Vogel und Gitarrist Benjamin Barritt besteht und ebenso wie die Darsteller ein beachtliches Queen-Feeling an den Tag legt. Eben nicht nur, wenn's um die Überhits à la „We Are the Champions“, „Don’t Stop Me Now“, „Another One Bites the Dust“ oder das finale „The Show Must Go On“ geht. Sondern auch bei schön melancholischen Songs wie „Cool Cat“ und „You Take My Breath Away“, die das Stück über das Niveau üblicher Best-of-Nummernrevues heben. Ein absolut gelungener Konzertabend.
Nächste Vorstellungen: 14. - 19., 21. - 26., 28. - 31. Januar, weitere bis 23. Februar

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