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Kultur: Justitias Goldwaage

Nach dem Prozess: David Irving leugnet den Holocaust nur noch ein bisschen – und Iran appelliert an westliche Meinungsfreiheit

Gleich drei Buchprojekte hat David Irving in der nächsten Zeit vor: eine Churchill-, eine Himmler-Biografie und eine Autobiografie. Der 67-jährige britische Autor und Hobby-Historiker dürfte dabei wenig abgelenkt sein: „Im Gefängnis hat man Zeit zum Nachdenken, da kann man viel schreiben“, sagte er während seines Wiener Prozesses am Montag. Das war wohl ironisch gemeint, doch am Abend war klar: Irving wird sich wirklich an die Schreibmaschine setzen können.

Drei Jahre unbedingte Haft: So lautet das Urteil des Wiener Schwurgerichts über den umstrittenen Holocaust-Leugner. Die acht Geschworenen hatten Irving in allen drei Hauptfragen für schuldig befunden und nach dem Verbotsgesetz wegen nationalsozialistischer Wiederbetätigung verurteilt. In einer ersten Reaktion zeigte sich Irving geschockt. Sein Anwalt Elmar Kresbach kündigte volle Berufung an, noch ist das Urteil also nicht rechtskräftig. Einer der Aufsehen erregendsten Prozesse der österreichischen Justizgeschichte geht damit in die nächste Runde.

Schon 1989 war in Österreich gegen Irving ein Haftbefehl erlassen worden, weil er bei Vorträgen und mehreren Interviews haarsträubenden Geschichtsrevisionismus betrieben hatte. So bestritt Irving nicht nur die Existenz von Gaskammern in Auschwitz, er stellte auch die November-Pogrome nicht als gezielte Aktion des NS-Regimes dar, sondern als Tat vereinzelter Unbekannter, die sich zur Tarnung SA-Uniformen angezogen hätten. Und dann erklärte er auch noch alle Holocaust-Überlebenden zum Fall für die Psychiatrie. Seiner Verhaftung entzog sich Irving durch Flucht ins Ausland.

Im Herbst 2005 kehrte er jedoch auf Einladung einer schlagenden Burschenschaft nach Österreich zurück – und wurde verhaftet. Das relativ harte Urteil ist auch ein symbolischer Akt. Irving hatte zwar zu Beginn der Verhandlung ein „Geständnis im Sinne der Anklage“ abgelegt und sich in seiner zweistündigen Einvernahme für manche Aussage entschuldigt. Aber wirklich abgenommen hat ihm dies offenbar niemand. Denn Irving tat sich sichtlich schwer mit seinem Geständnis. So erklärte er etwa, bei seinen Texten, die den Holocaust in Frage stellten, wären ihm „methodische Fehler unterlaufen“. Mittlerweile sei er zur Erkenntnis gelangt, dass das Nazi-Regime Juden vernichtet habe, allerdings glaube er nicht, dass die „Zahl von sechs Millionen Juden stimmt“.

Auch das Hitler-Bild in seiner umstrittenen Biografie wollte er so leicht nicht aufgeben: Hitler habe die „Judenfrage“ nach dem Krieg lösen wollen, Mitarbeiter hätten ihn „hinters Licht geführt“. Irvings Anwalt hatte bei der Verhandlung zudem versucht, seinen Mandanten als kleine Nummer darzustellen: als historisch interessierten Autor, der „polemisiert und seine Aussagen nicht immer auf die Goldwaage legte“. Das Gericht sah das anders.

In Österreich wurde das Urteil mit Wohlwollen aufgenommen. Am Dienstag schrieben die Zeitungen von einem harten, aber gerechten Urteil. Österreich, so der einhellige Tenor, hätte damit ein Signal gesetzt, rechtsextreme Tendenzen nicht zu tolerieren. Ähnlich hatte auch Staatsanwalt Michael Klackl während seines Plädoyers argumentiert.

Im Ausland wurde die Verurteilung Irvings auch kritisch beleuchtet. Spanische und britische Zeitungen fragten, ob das relativ rigide österreichische Verbotsgesetz von 1947 heute noch zeitgemäß sei. So schreibt die Zeitung „El Mundo“, dass Irvings Theorien zwar „nicht den geringsten Respekt“ verdienten, aber vielleicht dennoch nicht mehr strafbar sein sollten.

Der Iran hatte bereits vor der Verhandlung erklärt, man wolle Irving zur Holocaust-Konferenz nach Teheran einladen. Nun bezeichnete Irans Außenminister Manuchehr Mottaki das Urteil gegen Irving als „westliches Paradox“. Der Westen fordere Meinungsfreiheit, praktiziere aber das Gegenteil. „Wir verstehen nicht, warum der Westen so verzweifelt darauf besteht, dieses Verbrechen begangen und genau sechs Millionen (Juden) getötet zu haben“, sagte Mottaki. Vom Richter auf die Teheraner Holocaust-Konferenz angesprochen, hatte Irving im Prozess erklärt, mit dem iranischen Regime wolle er gewiss nicht gemeinsame Sache machen. Nun wird er die Einladung so oder so nicht annehmen können.

Markus Huber

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