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Fünferbande. Christoph Jungmann, Bov Bjerg, Horst Evers, Manfred Maurenbrecher und Hannes Heesch (v. l.).

© Tim Noack/Mehringhoftheater

Kabarettistischer Jahresrückblick: Alles auf Angie

Der kabarettistische Jahresrückblick im Berliner Mehringhoftheater versammelt wieder die schönsten Pleiten und die peinlichsten Hasardeure der Saison.

Von Sandra Luzina

Viel Anlass zur Belustigung bot das sich zum Ende neigende Jahr ja nicht. Wenigstens die Schmiergeldaffäre des DFB hatte ihre erheiternden Seiten, denn man konnte verfolgen, wie manche Fußballfunktionäre sich selber demontierten. Weshalb beim kabarettistischen Jahresrückblick im Mehringhoftheater diesmal ein früherer Fußballgott den Vortritt vor den Knallchargen aus der Politik hat und der Enthüllungsjournalist Gerhard Delling seinen Kumpel Günter Netzer ausfragt. „Theo Zwanziger ist ein falscher Fuffziger“, entrüstet sich Hannes Heesch, der beide Rollen übernimmt. Es folgt eine Schnurre über unkonventionelle Methoden des Geldtransfers, ziemlich ballaballa – aber an den realen Fifa-Irrwitz reicht es dann doch nicht heran.

Ein eher lahmer Beginn, aber die Fünferbande – neben Heesch Bov Bjerg, Horst Evers, Manfred Maurenbrecher und Christoph Jungmann als Gastgeberin Angela Merkel – läuft mit ihrem Gespür für Schmäh bald zu besserer Form auf. Wacker versuchen sie, dem annus horribilis etwas Komik abzugewinnen und machen sich sogar über Dschihadisten lustig. „Ich zeig ein freundliches Gesicht“, trällert Angela Merkel in der ersten Shownummer und gibt die Stimmungskanone. Es folgt ein Seitenhieb auf Horst Seehofer, dem sie später noch eins auswischen wird. Bjerg, Evers und Maurenbrecher in Kapuzenjacken legen sich als Background-Tänzer ins Zeug – sie müssen trainiert haben! In früheren Shows war Merkel die duldsame Moderatorin, die auch gegenüber unangenehmen Überraschungsgästen stets die Contenance wahrte. Doch als plötzlich Yannis Varoufakis mit Motorradhelm auf die Bühne schneit, um sein Buch „Time for Change“ vorzustellen, gefriert ihr Lächeln. Auch Ko-Moderator Wolfgang Schäuble ist nicht eben amüsiert.

Berlin mit seiner überforderten Verwaltung sorgt wieder für satirische Höhepunkte

Bjov Berg legt als Varoufakis schneidende Arroganz an den Tag und holt weit aus: „Schon im alten Griechenland gab es Menschen, die sich nicht für das Gemeinwohl interessierten.“ Seine ökonomischen Theorien trägt er in einem aberwitzigen Fantasie-Griechisch vor, Horst Evers’ Übersetzung klingt freilich noch abstruser. Am Ende ruft der griechische Hasardeur der Kanzlerin noch ein beschwingtes „Kali Nixta, Angela!“ zu und preist die winzige Bühne als „Amphitheater der Kleinkunst“.

Auf eines ist Verlass im Mehringhoftheater: Berlins Lokalpolitik samt der überforderten Verwaltung sorgt wieder für satirische Highlights. Zur nicht abreißenden BER-Pannenserie meint Evers: „Wenn man VW mit dem Brandschutz und der Entrauchung beauftragt hätte – das wären super Testergebnisse gewesen.“

Und Merkel rächt sich endlich für die Demütigung durch Seehofer. Der Regent aus Bayern – Heesch im Trachtenjanker – steht am Pult, da drängt sich Merkel vor und redet mit dem Tontechniker erst mal lang und breit über Doppelkopf. Seine Anti-Merkel-Rede rechtfertigt Seehofer so: Sie sei ein Signal an die Flüchtlinge gewesen, „dass auch die Männer in unserem Land noch etwas zu sagen haben“. Darauf Merkel: „Vielleicht sollte ich zurücktreten? Ich weiß aber keine Alternative zu mir.“ Der verstorbene Helmut Schmidt – Heesch in einer Glanzrolle – meldet sich aus dem Jenseits und spricht der Kanzlerin Mut zu. Vor allem solle sie sich nicht von ihren Gefühlen leiten lassen. Und organisiert, bevor er entschwindet, noch schnell seinen Zigarettennachschub.

Pegida, Lageso, Schlendrian bei den Bürgerämtern, Kita-Streik, Xavier Naidoo – wo bleibt das Positive? Am Ende steuern die Fünf einen improvisierten Song zum Liebescomeback bei den Wulffs bei. „Komm zurück nach Großburgwedel“ wird zum Höhepunkt des nicht ganz treffsicheren, aber doch erheiternden Abends.

Die Vorstellungen im Mehringhoftheater sind ausverkauft. Weitere Termine vom 13. - 17. 1. im Theater am Kurfürstendamm.

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