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Kultur: Kaiman aus der Kiste

Wie Filmemacher ihr Ziel Berlusconi verfehlen

Der eine versucht’s mit Dämonisierung. Autorenfilmer Nanni Moretti, Galionsfigur der politischen Linken Italiens, hat Silvio Berlusconi soeben in „Il Caimano“ zum Alligator hochgejazzt, der sein Land auffrisst. Nach dem satirischen Einstieg um einen naiven B-Picture-Produzenten, der plötzlich mit einem Berlusconi-Stoff hantieren muss, steigert sich der Film in eine apokalyptische Vision. Endlich ist der korrupte und schwerkriminelle Ministerpräsident verurteilt, aber im Schlusswort wiegelt der Angeklagte das Volk auf. Der Justizpalast brennt, die Demokratie liegt in Schutt und Asche.

Der andere versucht’s mit Veralberung. Jan Henrik Stahlbergs und Lucia Chiarlas „Bye Bye, Berlusconi!“, auf der Berlinale vorgestellt und ab morgen mit 28 Kopien in deutschen Kinos zu sehen, zeigt – ebenfalls im Rahmen eines Films im Film – die Entführung Berlusconis auf Micky-Maus-Niveau: Bürgermeister Micky Laus wird von der Hühnerkackerbande entführt und, eine eher debile Volksabstimmung via Internet tut das ihre, zu 90 Jahren Gefängnis verurteilt. Nur gerät das Drehteam bald selbst in heftigste Komplikationen – und der Film taumelt überwiegend unlustig, im politischen Niemandsland zwischen Aldo Moro und Stammheim, seinem ziemlich durchgeknallten Finale entgegen.

Ob linke Filmemacher dem Phänomen Berlusconi beikommen, indem sie den italienischen Demokratur-Despoten ausgerechnet in seinem medialen Heimspielfeld angreifen? Zweifel sind angebracht. Berlusconi-Herausforderer Prodi sorgt sich, wie gemeldet, um „schädliche“ Nebeneffekte der gut gemeinten Schützenhilfe Morettis, und mit dem eher tumb-harmlosen Micky Laus in Stahlbergs Film muss man, leider, leider, immer wieder Mitleid haben. So kann das nicht gemeint gewesen sein: Sie arbeiten sich redlich ab an Berlusconi, die guten linken Geister, aber sich verbrauchen sich dabei. Und das Schlimmste: Ihren Gegner machen sie nur noch größer.

Immerhin, Morettis Film läuft im italienischen Kino, „Bye Bye, Berlusconi!“ muss, so wurde am Montag auf einer Berliner Podiumsdiskussion deutlich, einstweilen warten. Der Independent-Produzent Blu International hat den Film zwar gekauft und für diese Woche einen Großstart mit 100 Kopien angekündigt, den Plan aber kleinlaut zurückgezogen. Offenbar machen die von Berlusconi gesteuerten Großverleihe Druck auf die Kinobetreiber, und nun will in Italien, dem Herzenseinsatzland der Macher, niemand „Bye Bye,Berlusconi!“ spielen. Dass es zu einem Start auch in kleinerem Maßstab noch vor der Wahl am 9. April kommt, erscheint da fast ausgeschlossen.

Der Medien-Mussolini muss weg: Da sind sich alle einig. Nur wie? Da beginnt der Streit. Arnold Cassola, Generalsekretär der Europäischen Grünen und Kandidat für Prodis Unionsliste, ging am Montag in Berlin sogar so weit, eine „linke Psychose“ zu beschwören. Und für Moretti und Stahlberg/Chiarla hatte er noch eine edelbittere Pille in petto: Statt ihre Zeit an Berlusconi zu verschwenden, sollten sie lieber bessere Filme machen.

Auf den ersten Blick konstruktiv tönt das nicht; erhellend ist es vielleicht doch. Denn wahrscheinlich hilft gegen den Geschäftsmann und Politiker Berlusconi, der binnen fünf Jahren ein wichtiges und viel geliebtes EU-Sehnsuchtsland in eine Bananenrepublik verwandelt hat, mit Gesetzlosigkeit nach eigenem Gusto und einer durchgreifenden Entsubstanziierung des öffentlichen Lebens, nur eines: eisern harte, sachliche, konkrete Überzeugungsarbeit bei allen Italienern, die am 9. April über Berlusconis zumindest politisches Schicksal befinden.

Auch die 700 000 in Deutschland lebenden Landsleute gehören dazu. Doch nur 20 Prozent von ihnen, so hieß es am Montag, wollen überhaupt wählen gehen. Was für ein Trugschluss nicht nur dieser Tage und nicht nur für sie: Italien einfach abzuschreiben.

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