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Kultur: Kant oder Beethoven?

KLASSIK

Dass Theodor W. Adorno auch Komponist war, blieb bisher eher anekdotische Randbemerkung. Zum 100. Geburtstag tritt das Leipziger Streichquartett im kleinen Konzerthaus-Saal den klingenden Beweis dafür an, wie schwer ihm die Entscheidung zwischen Kant und Beethoven gefallen sein muss. Und die brieflich überlieferte Befürchtung des Lehrers Alban Berg, der begabte Schüler könnte sich ganz der Philosophie zuwenden, lässt auf musikalische Entdeckungen hoffen. Eine beachtliche Talentprobe ist ein Streichquartett von 1921 des kaum 18-Jährigen, ein von Beethovenscher Satztechnik durchdrungenes, expressiv durchglühtes Gebilde. Mit klangschöner Intensität erfüllen die „Leipziger“ auch die noch früher, 1919, entstandenen „Sechs Studien für Streichquartett“, die vielleicht unbeholfener, dicklicher im Klang, zuweilen noch pathetisch-konventionell daherkommen.

Natürlich, Anton Weberns „Sechs Bagatellen für Streichquartett“ und Alban Bergs op. 3 setzen dem Unausgegorenen, heftig wider den Stachel Löckenden frühe Meisterschaft entgegen. Ganz zu schweigen von Beethovens op. 132, dem schon esoterischen Spätwerk, das jedoch in seinen verstörenden Brüchen, dem Abdriften in „verbotene“ Gefilde dem jungen Adorno am ehesten entgegenkommt. In vorwärts eilenden, Erregung schürenden Tempi betonen die Leipziger allerdings eher Zusammenhang. Gleichwohl, der Philosoph kann in dieser erlauchten Gesellschaft durchaus mitreden, seine Musik wäre willkommene Repertoire-Bereicherung. Wir warten auf weitere Ausgrabungen.

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