zum Hauptinhalt
Rot und casual: Kanye West bei der Präsentation seines Albums "The Life of Pablo" in New York

© Andrew Kelly/REUTERS

Kanye West präsentiert neues Album: Mode und Realitätsverzerrung

Bizarrer Auftritt: Kanye West stellt in New York sein neues Album "The Life of Pablo" vor - und den Kardashian-Clan, seine neue Modekollektion und vieles mehr.

Von Jörg Wunder

Großes ist am Donnerstagabend in New York erwartet worden. Kanye West stellt sein neues Album vor! Im Gegensatz zu der Beiläufigkeit, mit der selbst Rihanna oder Beyoncé neue Platten ins Netz stellen, wollte der 38-Jährige mit einer Synchron-Präsentation des siebten Albums „The Life of Pablo“ und seiner neuen Modekollektion den selbstgefühlten Status als bedeutendster Pop-Künstler der Gegenwart untermauern. Also wurden nicht nur der Madison Square Garden angemietet, sondern auch Kinosäle rund um den Globus, um das weltbewegende Ereignis in Echtzeit zu übertragen. Als Kanyes angeheirateter Kardashian-Clan in dekadenten weißen Pelzroben die VIP- Plätze eingenommen hat, geht’s los.

An diesem Abend kann man schönen Menschen beim Nichstun zusehen

Der Star des Abends schlurft, gekleidet und umgeben von aufgekratzter Entourage, zur verhüllten Bühne, lässt sein Notebook von einem unbeeindruckten Techniker verkabeln und drückt auf „Enter“, um das erste Stück des mutmaßlichen Wunderwerks abzuspielen. Dieser unspektakuläre, neunmal wiederholte Vorgang wird nur unterbrochen von Wests einsilbigen Erklärungen und schütterem Beifall von den Rängen.

Der Kardashian-Clan, weißbepelzt, am Donnerstag in New York bei der Präsentation von Kanye Wests Album "The Life of Pablo"
Der Kardashian-Clan, weißbepelzt, am Donnerstag in New York bei der Präsentation von Kanye Wests Album "The Life of Pablo"

© Andrew Kelly/REUTERS

Zum zweiten Song wird enthüllt, was sich unter der Ballonseide verbirgt: hunderte Models, die in Kanyes vom dystopian chic der „Hunger Games“-Filme beeinflussten Klamotten stecken und sich dem strengen Regularium einer von Vanessa Beecroft erdachten Performance unterwerfen. Diese verlangt teilnahmslose Mimik und völlige Reglosigkeit, was den weiblichen Models, obwohl auf High Heels balancierend, leichter zu fallen scheint als den Männern, von denen bald etliche auf dem Bühnenboden kauern – ohne aus der „neutralen“ Rolle zu fallen. Wenigstens Naomi Campbell darf etwas posieren.

Nach dem fragwürdigen Privileg, schönen Menschen beim Nichtstun zusehen zu dürfen, ist die Stimmung eher konsterniert als partyreif. Zumal sich Kanye von hämischen Zwischenrufen aus dem Konzept bringen lässt. Die werden lauter, als er den Trailer für ein Computerspiel ablaufen lässt, das in kitschigen Pixelbildern davon handelt, wie seine engelsbeflügelte Mutter die Pforten des Himmels erreicht. Spätestens hier – die Kardashians haben bereits die Halle verlassen – beginnt man sich Sorgen um einen im Grunde genialen Künstler zu machen, dessen Realitätswahrnehmung ähnlich verzerrt zu sein scheint wie die des späten Michael Jackson.

Zur Startseite